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Zwischen Protokoll und Protest

Von Thomas Seifert

Politik

Der Besuch des russischen Präsidenten war von Protesten überschattet.


Wien. Staatsbesuche wie jener des russischen Präsidenten Wladimir Putin folgen ihrer eigenen Choreografie: ehrfurchtgebietende Motorradeskorte vom Flughafen zur Hofburg samt über dem Konvoi kreisenden Helikoptern, Begrüßung mit militärischen Ehren, Abspielen der Nationalhymne von Russland und Österreich, Abschreiten der Ehrenformation, am Ende Kranzniederlegung am Heldendenkmal der Roten Armee in Wien.

Der Besuch des russischen Präsidenten ist der bedeutendste Besuch eines Staatsgastes in diesem Jahr, ein Fest für die Protokollabteilung der Hofburg, die Besuche wie diese minutiös vorbereitet und für einen reibungslosen Ablauf sorgt.

Aber trotz Platzsperre und schwerer Sicherheitsvorschriften wird wohl auch der russische Präsident ein wenig von einer gegen ihn gerichteten pro-ukrainischen Demonstration mitbekommen haben. Kurz nachdem die letzten Takte der Bundeshymne verklungen sind, geleitet Bundespräsident Heinz Fischer Putin in seine Amtsräume: Als die beiden aus dem inneren Burghof der Hofburg zur Pforte der Amtsräume des Bundespräsidenten biegen, trägt der Wind die von der Demonstration am Heldenplatz und vor dem Parlament aus dem Lautsprecher tönenden tönende Parole "Putin ist ein Terrorist!" ans Ohr Putins. Der ukrainische Anti-Putin-Protest bleibt aber überschaubar: Es sind weniger als 200 Menschen, die Putin mit Plakaten mit Aufschriften wie "Putin, lass uns in Ruhe", "Hände weg von der Ukraine", "Georgien 2008, Ukraine 2014. Wer ist als Nächster dran?" oder "stoppt die russische Propaganda" empfangen. Organisiert wurden die Demonstrationen vom Verein "Demokratische Ukraine". "Wir finden es sehr unpassend, dass Putin empfangen wird. Vor allem das Programm seines Aufenthaltes vermittelt den Eindruck, dass alles wieder seinen gewohnten Lauf nimmt, als wäre gar nichts passiert: Wirtschaftsverträge werden unterzeichnet und die Kooperation mit Russland geht weiter. Man hat das Gefühl, dass hier Menschenrechte für Gas verkauft werden", sagte Anna Iarotska, gebürtige Ukrainerin und Obmannstellvertreterin der Organisation gegenüber der Austria Presse Agentur (APA).

Die prorussischen Demonstranten gleich hinter dem Burgtheater sind aber noch weniger zahlreich: Russische Fahnen wehen hier im Wind, die Demonstranten tragen Transparente mit Slogans wie "Vergesst unsere Einheit nicht" oder "nein zur Doppelmoral".

Liebesgrüße an Moskau -mit blankem Busen

Rund zwei Stunden später beginnt der nächste Demonstrationsreigen gegen Putin: Teils mit blankem Busen machen sich Demonstranten der Homosexuelleninitiative Wien und der Aidshilfe auf zum "Regenbogenmarsch" gegen homophobe Gesetzgebung und Menschenrechtsverletzungen in Russland.

Ein weiterer Protest richtet sich gegen einen Milliardenkredit, den Russland für den Ausbau des Atomkraftwerks Paks in Ungarn gewähren will. Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace entrollen ein Transparent: "Herr Putin: Österreich will keine grenznahen AKW."

"Der Ausbau des alten Kraftwerks ist nur durch unrechtmäßige staatliche Beihilfen finanzierbar und entspricht nicht den EU-Wettbewerbsregeln. Bundeskanzler Faymann muss heute gegenüber Präsident Putin klarstellen, dass dieser Kredit illegal ist", fordert Julia Kerschbaumsteiner, Energiesprecherin von Greenpeace, während der Demonstration. Mit dem Protest will Greenpeace vor allem an die österreichischen Politiker appellieren, aktiv gegen den Milliarden-Deal vorzugehen. "In Österreich herrscht ein breiter Konsens gegen Atomkraftmeiler. Gerade in der Rolle als Anti-Atom-Vorreiter sind wir gefordert etwas zu tun", so ein Greenpeace-Aktivist.

Der Besuch des russischen Staatsgastes war aber auch politisch nicht unumstritten: So hatte der schwedische Außenminister Carl Bildt im ORF den Besuch in Wien kritisiert: "Man weiß, dass Putin die EU spalten will. Das versucht er immer, wenn er in die Ecke getrieben wird." Die Grünen hatten sich dieser Kritik angeschlossen, für sie ist der Besuch zum jetzigen Zeitpunkt "das falsche Signal". Im Zweifelsfall sei der wirtschaftspolitische Vorteil für Österreich wichtiger als Menschenrechte und eine gemeinsame europäische Außenpolitik, meinte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Tanja Windbüchler. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl kann dieser Argumentation naturgemäß nichts abgewinnen: Gute wirtschaftliche Beiziehungen seien auch die Basis für politische Stabilität, sagte Leitl in einer Aussendung anlässlich einer Rede Putins am Dienstagabend in der Wirtschaftskammer. Man müsse sich die Frage stellen, ob schärfere Sanktionen gegenüber einem Wirtschaftspartner den Menschen, ihren Arbeitsplätzen und den betroffenen Unternehmen dienen oder eher schaden würden. "Es wäre ein wichtiger Schritt, wirtschaftlich das zu verbinden, was politisch noch getrennt ist", sagte Leitl. "Wir verhandeln gerade ein Freihandelsabkommen mit den USA. Was spricht dagegen, auch über ein solches Abkommen für einen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok zu reden?"

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich aber am Montag positiv zu den Versuchen Österreichs, zur Entspannung mit Russland beizutragen, geäußert. Immerhin hat Deutschland - zumindest, was die energiepolitischen Beziehungen mit Russland betrifft - ähnliche Interessen wie Österreich: Beide Länder sind in hohem Ausmaß von russischen Gaslieferungen abhängig. Die FPÖ, die in den vergangenen Jahren stets russlandfreundlich agiert hat, hat sich betont positiv geäußert: Das neutrale Österreich müsse seiner Vermittlerrolle gerecht werden und den Dialog mit Putin suchen.

Putin selbst meinte in einer ersten Stellungnahme in der Hofburg: "Es gibt vieles zu besprechen und vieles, wo wir zusammenarbeiten können." Es gebe Gemeinsamkeiten, aber auch Fragen, die einer zusätzlichen Besprechung bedürfen, wozu es den Dialog brauche, so Putin.

Keine Geschäfte mit Putin?

Bei seiner Ankunft bei der Wirtschaftskammer, wo Putin am Abend einen Vortrag vor österreichischen Wirtschaftsvertretern hielt, hörte der russische Präsident den Unmut der Demonstranten diesmal nicht nur - wie zuvor vor der Hofburg -, sondern konnte den Text der Transparente "Keine Geschäfte mit Putin" wohl lesen. Am Abend stand für Putin nach der Kranzniederlegung am Heldendenkmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz ein Treffen mit dem Schweizer Bundespräsidenten und aktuellen OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter auf dem Programm. Dann flog er wieder zurück nach Moskau.