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"Ein Problem Europas, nicht Österreichs"

Von Alexander Dworzak aus Riga

Politik

Riga. Nach den nicht mehr dezenten Misstönen für Österreichs Russland-Politik tags zuvor in Estland stimmte der lettische Staatschef Andris Berzins am Dienstag in Riga mildere Töne an. Ja, man habe den Besuch Wladimir Putins in Wien vergangene Woche registriert, aber auch verstanden, dass Österreich "die Türen für alle offenhält", sagte Bundespräsident Heinz Fischer nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen. Fischer setzte somit wieder auf die Karte einer aktiven österreichischen Neutralitätspolitik, um die Missstimmungen im Ausland einzufangen. Berzins betonte, die Ukraine hätte das volle Recht, ihre territoriale Integrität zu bewahren. Lettland werde alles unternehmen, um eine Lösung auf dem Verhandlungstisch zu erreichen.

Wie Österreich versucht sich Lettland in Balance, schließlich sind 27 Prozent der knapp zwei Millionen Einwohner ethnische Russen. Die ethnischen Russen in Lettland hätten ihre Kultur und ihren Stolz, aber "keine separatistischen Tendenzen", beschwichtige jedoch Fischer nach dem Gespräch mit seinem Amtskollegen. "Die Situation in Lettland kann man nicht mit jener in der Ukraine vergleichen." Mit großer Sorge kommentierten beide das Aufkündigen des Waffenstillstandes in der Ukraine: "Die Diplomatie ist hier gescheitert und der Konflikt wurde wieder militärisch", sagte Berzins.

Polnisch-baltischePipeline geplant

Dauerthema neben dem Ukraine-Konflikt ist auch der geplante Bau der Pipeline South Stream bis nach Österreich. Ein lettischer Journalist fragte Fischer, ob die Vertragsunterzeichnung zwischen OMV und dem russischen Energieriesen Gazprom nicht kontraproduktiv sei derzeit. Der sonst so gelassene Bundespräsident entgegnete an dieser Stelle äußerst energisch: "Wenn South Stream ein Problem ist, dann kein österreichisches, sondern ein europäisches. Die Leitungen verlaufen durch mehrere Staaten, unter ihnen das Nato- und EU-Mitglied Ungarn.

Ohne Zustimmung der EU wird South Stream nicht gebaut. Lettland sucht derweil andere Wege, um seinen Energiebedarf zu diversifizieren und seine Abhängigkeit von Russland - 100 Prozent der Gasimporte stammen aus dem Nachbarland - zu reduzieren. So ist eine polnisch-baltische Pipeline geplant.

Neben Fischer befinden sich Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner sowie Familienministerin Sophie Karmasin und eine Wirtschaftsdelegation derzeit im Baltikum. Das Handelsvolumen von 180 Millionen Euro mit Lettland ist deutlich ausbaufähig, es setzt sich aus Exporten von 150 Millionen und Importen in der Höhe von 30 Millionen zusammen. Auch für das tags zuvor besuchte Estland ist der Status quo mager: Dort betragen die Exporte 127 Millionen, die Importe 33,1 Millionen. Und während die Forschungskooperation überraschend stark ist, gibt es lediglich sechs österreichische Studenten, die Estland als Erasmus-Studienort gewählt haben.