Zum Hauptinhalt springen

Österreichische Firmen im Visier

Von Teresa Reiter

Politik

Menschenrechtsorganisationen werfen heimischen Großinvestoren Landraub vor.


Wien. Landgrabbing - die illegitime Aneignung von Land durch Großinvestoren ist vor allem in Afrika ein großes Problem. Doch auch Europa ist davon nicht verschont. So nutzen etwa nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe gut die Hälfte aller Agrarflächen Europas. Auch österreichische Firmen sollen mitverantwortlich für Landraub und die zunehmende Landkonzentration in Südosteuropa sein. Das geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Fian (FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk) hervor.

"Am Gipfel des internationalen Wettlaufs um Land und Ressourcen stehen Millionen Kleinbäuerinnen vor dem Verschwinden und junge Bauern werden in die Auswanderung gedrängt. Das muss ein Ende haben", wird Attila Szocs von Ecoruralis, einem rumänischen Kleinbauern-Netzwerk, in dem Report zitiert.

Besonders in Ungarn, Serbien und Rumänien gehören österreichische Agrarunternehmer zu den größten Investoren. Niedrige Grundstückspreise und billige Arbeitskräfte machen Zentral- und Südosteuropa zu einem attraktiven Standort für transnationale Konzerne. Meist decken diese großen Agrarbetriebe die gesamte Wertschöpfungskette ab und lassen nur wenig Luft für lokale Mittel- und Kleinbetriebe.

Unternehmer Andreas Bardeau etwa, gleichzeitig Honorarkonsul von Rumänien, soll dem Bericht nach mehrere tausend Hektar Land in Rumänien kontrollieren. Bardeau selbst sieht sich als "sehr notwendigen landwirtschaftlichen Investor" und gibt an, in Rumänien 150 Jobs geschaffen zu haben.

Auch das österreichische Holzunternehmen Schweighofer erntet in dem Bericht Kritik. Im September 2013 demonstrierten rumänische Sägewerksarbeiter gegen eine weitere Ausdehnung des Holzriesen, dem vorgeworfen wird, exzessiven Holzschlag zu betreiben und die Natur zu zerstören. Eine Sprecherin des Unternehmens erwiderte, Schweighofer halte sich an die behördlich vorgegebene Schlägermenge und akzeptiere keine Holzlieferungen aus geschützten Gebieten. "Schweighofer arbeitet eng mit lokalen kleinen Firmen zusammen und bietet ihnen verschiedene Möglichkeiten, ebenfalls Profite zu erzielen. Dadurch bleibt die Wertschöpfung im Land."

Undurchsichtige Geschäfte

Laut ungarischer Regierung befinden sich etwa 1 bis 1,5 Millionen Hektar Land in den Händen ausländischer Investoren, die meisten davon aus Österreich. Die Verdrängung lokaler Kleinbauern führe immer wieder zu sozialen Spannungen, so Fian. Was zurückbleibe, sei eine überalternde Landbevölkerung und verlassene Dörfer. Etwa eine Million Hektar Land sollen in den letzten zwanzig Jahren durch sogenannte "Taschenverträge" an ausländische Investoren gegangen sein. Taschenverträge sind unterzeichnete Verträge ohne Kaufdatum. Sobald ein legaler Erwerb möglich wird, wird das Kaufdatum ergänzt und das Land geht offiziell in den Besitz des Käufers über. Die Orbán-Regierung nahm den Abschluss solcher Verträge nun ins Strafgesetzbuch auf.

Mit Preisen von etwa 8000 Euro je Hektar sind auch serbische Äcker attraktiv für ausländische Investoren. Zwar ist es in Serbien gesetzwidrig, Ackerland an Investoren jenseits der Landesgrenzen zu verkaufen, jedoch kann diese Hürde überwunden werden. Serbische Partnerfirmen des österreichischen Unternehmens Advance Management bewirtschaften laut Fian-Bericht zum Beispiel eine Gesamtfläche von etwa 100.000 Hektar. Mit ihrer Hilfe sollen ausländische Firmen indirekt in die serbische Landwirtschaft investieren können.

Nichtregierungsorganisationen kritisierten bereits, dass die EU-Agrarpolitik einer gerechten Landverteilung in Südosteuropa nicht zuträglich sei, da die EU vor allem große Agrarbetriebe fördert. So wurde in Rumänien 2012 die Hälfte der EU-Agrarsubventionen an nur ein Prozent der Höfe vergeben, die je über 500 Hektar groß sind.

"Der Zugang zu Land ist eine Grundvoraussetzung für Ernährungssouveränität in Europa. Doch die aktuelle EU-Agrarpolitik erschwert diesen Zugang, indem sie Landkonzentration und Landgrabbing verschärft. Kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaft muss Vorrang gegenüber konzentrierter, kommerzialisierter und industrialisierter Landwirtschaft bekommen, die nur den Profitinteressen einiger weniger dient", sagte Irmi Salzer von der österreichischen Kleinbauernvereinigung Via Campesina am Mittwoch in Wien.

Im Juni nahm die UN-Generalversammlung eine Resolution an, die eine Regulierung von transnationalen Konzernen anstrebt und diese rechtlich binden soll, das Menschenrecht auf Landzugang und Nahrung zu berücksichtigen. Österreich stimmte dagegen. Laut Fian-Sprecherin Brigitte Reisenberger ist dies ein großer Erfolg für die Menschenrechte und "das Ende der Straflosigkeit von transnationalen Konzernen." Gleichzeitig kritisierte sie das Abstimmungsverhalten Österreichs als "beschämend".