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Zwiespältiges Vermächtnis

Von Ines Scholz

Politik
Der Westen hofierte ihn, in Georgien hatte Schewardnadse wenige Freunde.
© reu/Mdzinarishvili

Gorbatschows Wegbegleiter und Außenminister Eduard Schewardnadse starb 86-jährig in Tiflis.


Tiblissi. So zwiespältig wie seine Politik war auch sein Ruf. An der Seite von Michail Gorbatschow wird der letzte sowjetische Außenminister für seine Rolle als Totengräber des Kalten Krieges, bekennender Demokrat und Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung vor allem im Westen bis heute verehrt, in seiner eigenen Heimat Georgien hingegen erinnert man sich nur ungern an Eduard Schewardnadse. In der Kaukasusrepulik blieb als Markenzeichen vor allem seine autokratische Präsidentschaft (1992-2003) in Erinnerung. Am Montag starb der "Sohn des Falken" - wie sein Vatername auf Deutsch übersetzt heißt - nach langer Krankheit 86-jährig in seiner Tblisser Residenz. Dort lebte der Ex-Staatschef zurückgezogen seit seinem Sturz im Jahr 2003.

Als Gorbatschow ihn 1985 als frisch ernannter "Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion" als Chefdiplomaten nach Moskau holte, hatte Schewardnadse in Georgien bereits eine typische Sowjetkarriere hinter sich: Vom Komsomol-Führer (1956) arbeitete er sich zunächst zum Innenminister (1968) und schließlich, 1972, zum Ersten Sekretär der KPDSU in der damaligen Teilrepublik hoch. Mit seinen politischen Widersachern ging Schewardnadse schon damals nicht zimperlich um. Um seinen Machterhalt zu sichern, stellte er neben so manchem hochrangigen Parteikader auch einfache Parteimitglieder, KGB-Agentenund kritische Intellektuelle kalt, indem er sie ins Gefängnis warf - meist unter dem Vorwand der Korruption. An die 25.000 Verhaftungen sind überliefert.

Neben seinem rigiden Anti-Korruptionskampf (der Schwarzmarkt blühte tatsächlich), verdankt Schewardnadse seinen politischen Aufstiegauch seinen behutsamen Wirtschaftsreformen, die die südliche Sowjetrepublik vor der in der UdSSR um sich greifenden Wirtschaftskrise bewahrte. Dem von Glasnost und Perestroika beseelten "Gorbi" schien der Quasi-Republikschef der richtige Mann zur rechten Zeit zu sein. Und tatsächlich erwies sich Schewardnadse als Glücksgriff.

Reformgeist und Putschist

Unter seiner Federführung wurden mit dem Westen mehrere wichtige Abrüstungsabkommen unterzeichnet, darunter 1987 mit den USA der INF-Vertrag zum den Abbau von Mittelstreckenraketen oder das Start-I-Abkommen zur Reduzierung strategischer Atomwaffen. Vor allem aber Deutschland verdankt dem letzten Außenminister der Sowjetunion viel: Am Erfolg der Zwei-plus-vier-Gespräche, die den Weg für die Wiedervereinigung ebneten, hatte er maßgeblichen Anteil. Gorbatschow würdigte Schewardnadse nach dessen Ableben denn auch mit den Worten: "Er war ein ehrlicher Verfechter eines neuen Denkens in der Welt."

Doch das war nur eine Seite des gewieften Politikers, der bei den Georgiern deshalb den wenig schmeichelhaften Spitznamen "weißer Fuchs" trägt. Als die Sowjetunion 1991 nach dem Moskauer Augustputsch in sich implodiert war, ließ der Ex-Minister mit kräftiger Unterstützung der georgischen Mafia gegen den gewählten Präsidenten der inzwischen unabhängigen Kaukasusrepublik Swiad Gamsachurdia putschen und erklärte sich selbst zum Nachfolger. Dabei war es Schewardnadse gewesen, der zuvor in Moskau gegen einen drohenden Staatscoup antidemokratischer Kräfte gewettert hatte (der dann auch folgte) und aus Protest gegen Gorbatschows Zauderpolitik sein Ministeramt vorübergehen zurücklegte. "Die Reformer ... haben sich in den Büschen versteckt. Es droht eine Diktatur", polterte der Georgier. Sein Regierungsstil, den er in Tblissi an den Tag legte, unterschied sich allerdings kaum von einer Diktatur. Wieder ließ Schewardnadse, der drei Attentate überlebte, Kritiker einsperren, sein Familienclan bereicherte sich derweil hemmungslos. Dem Popularitätsverlust begegnete er mit Wahlfälschung - bis ihn schließlich die Rosenrevolution von der Macht fegte.