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Linke kontert Antisemitismus an der eigenen Basis

Von Alexander Dworzak

Politik

Vor dem vom Iran initiierten Al-Quds-Tag betonen Spitzenpolitiker der deutschen Linkspartei das Existenzrecht Israels.


Berlin/Wien. Ein Kleinkind sitzt auf dem Boden, außer Windeln trägt es nur ein weißes T-Shirt, das mit Ketchup als Blutimitat verschmiert ist. Neben ihm liegt eine Puppe, deren Kopf ebenso mit falschem Blut getränkt ist, und eine palästinensische Flagge. Diese an das antisemitische Stereotyp des Ritualmords gemahnende Szene spielte sich am Dienstag bei einer Demonstration in Berlin ab. 350 Personen nahmen daran teil. Heute, Freitag, werden es wohl wesentlich mehr werden. Denn es ist Al-Quds-Tag.

Mit dem Konflikt um Gaza rückt diese Kundgebung ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Al-Quds-Tag wird seit der iranischen Revolution 1979 jedes Jahr am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan begangen. Mit dem Tag soll gegen Israels Besatzung von Jerusalem, arabisch Al Quds, protestiert und die Solidarität mit den Palästinensern bekundet werden. In Berlin sieht die Praxis so aus: Organisator ist eine Gruppierung, die der radikal-schiitischen Hisbollah nahe stehen soll und vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet wird. Sie behauptet auf ihrem Webauftritt, dass die "öffentliche Meinung durch die zionistisch beeinflussten Massenmedien gezielt und trickreich manipuliert" würde.

DDR-Kader und junge Aktivisten

An der Spitze der deutschen Linkspartei herrscht große Sorge, dass der dort propagierte Antisemitismus, der sich zur Verschleierung auch in antizionistischem Gewand kleidet, auf Zustimmung bei Anhängern und einzelnen Organisationen innerhalb der Partei stößt. Neu ist das Problem allerdings nicht: Alte DDR-Kader und junge Aktivisten, die gegen den "Imperialismus" des Westens wettern, finden in der Linken zusammen. Erst mit dem 2011 beschlossenen Parteiprogramm konnte sich die Gruppierung zum Existenzrecht Israels durchringen.

Dass in der Linken die Grenze zwischen legitimer Israelkritik und blankem Antisemitismus noch immer überschritten wird, zeigten die Zwischenfälle bei Kundgebungen in der vergangenen Woche, bei denen eine Landespartei bzw. eine Jugendorganisation als Co-Veranstalter fungierten. "Kindermörder Israel" und "Drecksjuden" hörte man dort.

"Demonstrationen gegen eskalierende Gewalt sind richtig. Gemeinsames Agieren mit Antisemiten, mit Menschen, die ’gegen die Juden’ offen oder unterschwellig agitieren und mit Menschen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen, kommt für uns nicht in Frage", schreiben die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi nun in einer Erklärung den eigenen Genossen ins Stammbuch. Sie wenden sich auch gegen die Einseitigkeit jener, die einen Stopp der Bombardierung von Israel fordern, aber die Raketenbeschüsse der Hamas unerwähnt lassen. Die Parteispitze verlangt stattdessen den Rückzug der israelischen Armee aus dem Gaza-Streifen, ein Ende des israelischen Beschusses der Menschen in Gaza, ein Ende der Raketenangriffe der Hamas auf Israel.

Der Landesvorsitzende der Berliner Linken geht noch einen Schritt weiter als Gysi und Co. und verurteilt "jede Form von Antisemitismus und auch gegen den an antisemitische Argumentationsmuster anschlussfähigen Antizionismus". Fraglich ist zwar, ob er damit die Mehrzahl seiner Genossen hinter sich hat. Doch auch innerhalb der Parteijugend gibt es Widerstand gegen den Mainstream; er formiert sich in einer "Plattform gegen Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus". Deren bezeichnender Name: Shalom.