Zum Hauptinhalt springen

Propagandaschlacht um Russlands Hilfskonvoi

Von WZ Online

Politik

Trinkwasser, Babynahrung, Medikamente und Stromaggregate auf dem Weg nach Luhansk.


Kiew/Moskau/Genf. Rund um Russlands umfangreiche Hilfsaktion für die Ostukraine entwickelt sich zum Thema einer veritablen Propagandaschlacht. Während Russland seine Großzügigkeit gegenüber der Bevölkerung in der Ostukraine in den Vordergrund stellt, warnten westliche Politiker vor einer schleichenden Invasion.

Fakt ist, dass am Dienstag  280 Lkws mit Hilfsgütern von Alabino bei Moskau in Richtung Ukraine aufgebrochen sind. Der Konvoi wird voraussichtlich Mittwoch an der ukrainischen Grenze eintreffen.

Stimmen aus dem Westen befürchten, dass der Transport der  dringend benötigten Güter Russland als Tarnung diene, um in der Ostukraine Stellung zu beziehen.

Das Ziel heißt Luhansk

Der internationale Hilfstransport findet entsprechend den Auflagen der ukrainische Regierung unter Aufsicht des Roten Kreuzes statt. Er soll der Zivilbevölkerung in den Rebellenhochburgen Luhansk und Donezk vor allem Medikamente, Lebensmittel, Säuglingsnahrung und Trinkwasser bringen. Laut Angaben der Moskauer Gebietsverwaltung  besteht die Lieferung aus 400 Tonnen Getreide, 100 Tonnen Zucker 62 Tonnen Babynahrung 54 Tonnen Medikamenten und medizinischen Materialien sowie 12.000 Schlafsäcke und 69 Notstromaggregaten unterschiedlicher Größen.

Nach den vier Monate dauernden Kämpfen sind in der Ostukraine  Tausende Menschen von der Versorgung abgeschnitten. Auch das Stromnetz ist in Teilen zusammengebrochen. Der russische Präsident Wladimir Putin führte die Lage in einem Telefonat mit dem EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf den Einsatz der ukrainischen Armee gegen die Rebellen in der südöstlichen Ukraine zurück.

Der frühere ukrainische Präsident Leonid Kutschma, der als Vermittler fungiert, sagte, die Lastwagen würden nach Luhansk in der Ostukraine fahren. Er erklärte, Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) würden den Konvoi begleiten. Der Vizepremier der selbsternannten Volksrepublik Donezk, Andrei Purgin, nannte ebenfalls Luhansk als Ziel des Transports.

Die ukrainische Führung besteht allerdings darauf, dass die Güter aus Russland an der Grenze umgeladen werden müssen. Die Angst vor einer Art trojanischem Pferd ist groß: Kein Konvoi, der von Angehörigen des russischen Militärs oder Katastrophenschutzministeriums begleitet werde, dürfe auf ukrainisches Hoheitsgebiet fahren, sagte Waleri Tschalyj, ein enger Vertrauter von Präsident Petro Poroschenko, in Kiew. "Alles wird unter der Kontrolle der ukrainischen Seite stehen." Hintergrund der Befürchtungen sind rund 45.000 russische Soldaten, die nach westlichen und ukrainischen Angaben an der Grenze stehen.

Im Gegenzug forderte der russische Außenminister Sergej Lawrow seinen Kollegen Frank-Walter Steinmeier Dienstagabend in einem Telefonat auf, alles für einen Erfolg der Hilfsaktion zu tun. Es sei mit der Ukraine vereinbart worden, dass der Konvoi nahe der russischen Stadt Schebekino die Grenze passiere.

Davon weiß man in Kiew anscheinend nichts. "Das Rote Kreuz sucht jetzt nach Speditionen, die die auch aus den USA und der EU stammenden Hilfsgüter übernehmen und in den Osten bringen können", sagte ein ukrainischer Insider.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat aber noch weitere Probleme mit den Lieferungen. Moskau habe die Organisation zwar über den Konvoi informiert, doch keine Details genannt, sagte IKRK-Sprecherin Anastassija Isjuk in Genf der Agentur Itar-Tass. "Wir warten noch immer auf wichtige Informationen über die Menge und die Art der Güter sowie darüber, wie und wo sie verteilt werden sollen."

Einmarsch befürchtet

Die Geheimnistuerei nährt Befürchtungen im Westen. "Wir müssen außerordentlich vorsichtig sein", erklärte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius im Hörfunksender France Info. Es könne sein, dass sich auf diesem Wege Russen in der Nähe der Rebellenhochburgen Donezk und Luhansk in Stellung brächten und den Westen vor vollendete Tatsachen stellten.

US-Außenminister John Kerry sagte in Sydney, er hoffe, dass die internationale Gemeinschaft schon bald einen Weg für eine Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Russland finden werde, um der Bevölkerung die nötige Hilfe zuteil werden zu lassen. Er hoffe, dass dies auf diplomatischem Wege geschehe. "Aber wir wissen auch, dass wir zugleich vorsichtig und stark sein müssen", sagte er. "Unsere Antwort muss klar sein, was wir akzeptieren und was nicht."



Gebietsgewinne für ukrainische Armee

Die ukrainische Armee eroberte unterdessen eine wichtige Verbindungsstraße zwischen Gorlowka und Donezk. "Das Militär setzt dort Artillerie und Luftwaffe ein", sagte der Armeeexperte Dmitri Tymtschuk in Kiew. Auf beiden Seiten habe es Tote und Verletzte gegeben. Die prorussischen Aufständischen bestätigten den Geländegewinn der Regierungstruppen in der Region.

Beide Seiten berichteten auch von schweren Kämpfen um die Ortschaft Miussinsk nahe Luhansk. Die Armee kontrolliere dort weiter die Hauptverbindungswege, sagte Tymtschuk. Ebenso umkämpft sei Ilowaisk südöstlich der Separatistenhochburg Donezk, die ebenfalls unter Beschuss stand.

Unterdessen hat die EU-Kommission am Dienstag weitere 2,5 Millionen Euro zur humanitären Hilfe in der umkämpften Ost-Ukraine bereitgestellt. Mit dem Geld sollen Binnenflüchtlinge in der Ukraine registriert und neu angesiedelt werden, teilte die EU-Kommission mit. Weiters sollen damit Notunterkünfte, Lebensmittel, Wasser, Medizin und psychosoziale Unterstützung für die Flüchtlinge finanziert werden.

(Quellen: OSZE, APA, Reuters, dpa, Ria Novosti, Itar TASS, Kommersant)

Maulkorb für Medien
Vor einer Einschränkung der Pressefreiheit in der Ukraine warnte die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic. Das ukrainische Parlament hat am Dienstag in erster Lesung ein Gesetz zu den Sanktionen gegen Russland beschlossen, das es ermöglicht, Zeitungen, und andere Medien inklusive Internet-Publikationen zu verbieten. Mijatovic nannte das Gesetz einen klaren Verstoß gegen die Meinungsfreiheit.