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Regierungskrise in Frankreich

Von Alexander U. Mathé

Politik

Premierminister Valls reicht nach Ausscheren des Wirtschaftsministers Rücktritt des Kabinetts ein.


Paris. Seine Wahlversprechen haben Frankreichs Präsidenten François Hollande wieder einmal eingeholt. Die Regierung in Paris zerbrach am Montag am wirtschaftspolitischen Kurs, den der Präsident vorgab. Hollande hatte 2012 die Wahl gewonnen, weil er versicherte, dass sich wenig ändern müsse an Frankreichs Wohlfahrtsstaat. Jahrelang hatte er sich gegen Sozialeinschnitte gewehrt und auf Steuererhöhungen gesetzt. Doch angesichts einer sich nicht erholenden Wirtschaft wechselte der Präsident die Marschrichtung. Ein Sparkurs wurde gestartet, der allerdings nicht viel an Wirtschaftskrise und Rekordarbeitslosigkeit im Land änderte und immer wieder zu Unmut bei Parteikollegen und zahlreichen Abgeordneten führte. Doch besonders einem gefiel der Wirtschaftskurs Hollandes gar nicht und das war ausgerechnet der Wirtschaftsminister.

Arnaud Montebourg rief am Wochenende zum Widerstand gegen Deutschland auf, genauer gesagt zum Widerstand gegen die deutsche Sparpolitik. "Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, die fünftgrößte Macht der Welt, und es hat nicht die Absicht, meine Damen und Herren, sich nach den maßlosen Obsessionen von Deutschlands Konservativen zu richten", sagte der Minister. Schon zuvor hatte er in einem Interview mit der Zeitung "Le Monde" erklärt, die bisher erfolgten Einsparungen seien eigentlich nutzlos und führten nur dazu, dass das Land in die Arme von EU-skeptischen Populisten getrieben würde.

Bei einer derart geharnischten Kritik sah Präsident Hollande wohl nur einen Ausweg: ein Exempel zu statuieren. Wer seine Autorität untergräbt, fliegt mitsamt seinen Freunden und anderen möglichen Querschädeln. Der Präsident forderte eine Regierung, die im Einklang mit seinen Leitlinien für das Land stehe. Offiziell war es selbstverständlich Premierminister Manuel Valls, der Hollande am Montag den Rücktritt der Regierung anbot. Die neue sollte noch heute, Dienstag, stehen.

Politisch geht es um den Zusammenhalt der Sozialisten. Montebourg verfügt in der Partei nämlich über eine beachtliche Hausmacht. Bei den Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur der französischen Sozialisten erhielt er immerhin 17 Prozent der Stimmen und ist eng verbunden mit einem weiteren Linksaußen der Partei: Bildungsminister Benoît Hamon, der am Wochenende ebenfalls einen wirtschaftspolitischen Wechsel gefordert hat. Manch einer vermutet, dass Montebourg es ganz gezielt auf einen Rausschmiss anlegte.

Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass über Frankreichs Sozialisten eine Palastrevolte schwebt. Denn Montebourg und der linke Flügel könnten Valls und Hollande das Leben in der Nationalversammlung schwer machen. Nicht zuletzt werden Montebourg selber Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt.

Wirtschaft springt nicht an

Wirtschaftlich läuft Hollande die Zeit davon. Er benötigt messbare Ergebnisse, die sich allerdings nicht und nicht einstellen wollen. Vergangene Woche hatte die Regierung durchblicken lassen, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr mit 0,5 Prozent nur halb so stark zulegen werde wie angenommen. Finanzminister Michel Sapin erklärte zudem, dass es unwahrscheinlich sei, dass Frankreich 2015 ein Wachstum jenseits der Ein-Prozent-Marke erreichen werde. Bisher waren 1,7 Prozent veranschlagt worden. Auch die Neuverschuldung dürfte die von der EU vorgegebene Vier-Prozent-Marke sprengen.

Er sei "Sozialist", hatte François Hollande zur Zeit seiner Wahl zum Präsidenten noch gesagt. Doch fast ein Jahr später erklärte er sich bereits zum Sozialdemokraten - worüber unter anderem in Berlin gejubelt wurde. Von dem neuen unternehmerfreundlicheren Kurs wird Hollande weder abweichen wollen noch können. Und so hat nach dem Schritt zur Regierungsumbildung die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dem französischen Staatspräsidenten nach dem Rücktritt des Kabinetts Erfolg für die geplanten Reformen gewünscht. Hollande habe mutige Schritte eingeleitet, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy am Montag in Santiago de Compostela.

Die Wünsche kann Hollande gut brauchen. Denn ohne Ergebnisse ist ihm die nächste Regierungsumbildung schon jetzt sicher. Immerhin hat Premierminister Manuel Valls erst im April den Posten vom glücklosen Jean-Marc Ayrault übernommen, der als zu weich und zu links galt. Nun gilt es für den Präsidenten zu zeigen, dass der harte Kurs unter Hardliner Valls zum Ziel Wirtschaftsaufschwung führt.