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Ein Führungsduo für mehr Einheit

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Polens Premier und Italiens Außenministerin übernehmen EU-Spitzenposten.


Brüssel. Ein verhaltenes Siegerlächeln setzte er schon vor der Sitzung auf. Als der polnische Premierminister Donald Tusk den Saal betrat, wo sich die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Sondertreffen versammelten, war schon klar, dass der Politiker zum neuen Ratspräsidenten der EU gekürt wird. Fröhlich schüttelte Tusk Hände, begrüßte seine Amtskollegen, wusste die meisten Fernsehkameras auf sich gerichtet. Am späteren Samstagabend war es dann offiziell: Der Pole übernimmt die Nachfolge des Belgiers Herman Van Rompuy und wird künftig die Gipfeltreffen der Staats- und Ministerpräsidenten leiten. Eng zusammen arbeiten wird er auch mit der neuen Hohen Repräsentantin für die Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini. Die italienische Außenministerin übernimmt das Amt von der Britin Catherine Ashton. Als Vizepräsidentin der EU-Kommission muss sie noch vom EU-Parlament bestätigt werden, das der Zusammensetzung der Behörde zustimmen soll.

Mit den beiden Ernennungen sind zwei Puzzlesteine gesetzt, die Teil der Besetzung von Spitzenposten in der Union sind. Der Wahl des Parlamentspräsidenten folgte die Kür Jean-Claude Junckers zum Kommissionspräsidenten, der nach der Nominierung Mogherinis seine Behörde komplettieren kann. Die soll im November ihre Arbeit aufnehmen; Tusk tritt seine neue Stelle einen Monat später an.

Mit Humor gegen Kritik

Bis dahin werde er auch sein Englisch aufpolieren, erklärte der 57-jährige Pole. Zu den Einwänden gegen seine Kandidatur gehörten nämlich mangelnde Fremdsprachen-Kenntnisse. Tusk kommentierte dies mit Humor: "Für die EU ist nichts gut genug – mein Englisch eingeschlossen." Bedenken von Kritikern musste sich auch die 41-jährige Mogherini stellen. Dass sie unerfahren und jung sei, ließ sie mit einem Hinweis auf ihre 20 Jahre lange außenpolitische Tätigkeit in unterschiedlichen Gremien nicht gelten.

Beide können jedenfalls auf Strukturen zurückgreifen, die ihre Vorgänger erst schaffen mussten. Van Rompuy war der erste Ratspräsident, und Ashton musste den Auswärtigen Dienst, die diplomatische Behörde der EU, aufbauen. Neues wollen aber Tusk und Mogherini ebenfalls einbringen. Von einer "neuen Generation, einem neuen Geist in Europa" sprach die Sozialdemokratin. Und der Mitte-Rechts-Politiker mit Wurzeln in der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc hofft darauf, als Ministerpräsident eines Landes mit viel Begeisterung für die EU frische Energie in die Institutionen bringen zu können. Er bringe dafür "guten Willen mit, osteuropäische Neugier und die tiefe Überzeugung von der Sinnhaftigkeit der EU". Außerdem, meinte Tusk, wäre jemand aus Ost- beziehungsweise Zentraleuropa in einer Schlüsselposition auch wegen der Ukraine-Krise von Vorteil.
Die Verschärfung der Situation im östlichen Nachbarland war nämlich einmal mehr Gegenstand der Debatten der Staats- und Regierungschefs. Wollten diese bei dem Sondergipfel ursprünglich nur die Nominierungen vornehmen, berieten sie ebenfalls über zusätzliche Sanktionen gegen Russland. Die bisher verhängten Strafmaßnahmen sollen beurteilt – und tiefer gehende erwogen werden.

Suche nach Kompromissen

Der Konflikt in der Nachbarschaft wird denn auch Tusk und Mogherini weiter beschäftigen. Beide betonten die Notwendigkeit der Einigkeit unter den Staaten, der ständigen Suche nach Kompromissen. Und beide wissen, wie schwierig dies unter den 28 Mitgliedern zu erreichen ist. Die Spannungsfelder verlaufen dabei nicht nur zwischen großen und kleinen, nord- und südeuropäischen Ländern, sondern werden auch genährt von unterschiedlichen Vorstellungen über den wirtschaftlichen, außenpolitischen oder sozialen Kurs Europas.

Die Diskussion über die EU der verschiedenen Geschwindigkeiten kennt Tusk nur zu gut, schon allein deswegen, weil sein Land nicht der Eurozone angehört. Er habe schon in den letzten Jahren alles unternommen, um eine Spaltung der EU zu verhindern, deklarierte er. "Es gibt genug Menschen, die die Integration Europas rückgängig machen wollen." Die dürften aber nicht die Mehrheit erlangen.