Erfurt/Potsdam/Wien. Lange musste Alexander Gauland auf den glücklichsten Tag seines Lebens warten. 73 Jahre ist er alt, er war aus der DDR geflohen und hatte im Westen in der CDU eine politische Heimat gefunden. Doch als diese sich immer pragmatischer immer mehr in Richtung Mitte bewegte, fühlte sich der Konservative von niemandem mehr verteten. Bis sich vor eineinhalb Jahren die "Alternative für Deutschland" (AfD) gründete. Für diese zog Gauland als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf in Brandenburg und erreichte auf Anhieb 12 Prozent. Und da war er, "der glücklichste Tag meines Lebens", wie Gauland Sonntagabend nach den ersten Hochrechnungen sagte.
Der Publizist gilt als Intellektueller, der auch den Stammtisch zu bedienen weiß. Im Wahlkampf warnte er im Zusammenhang mit der Errichtung eines geplanten Asylwerberheims vor einem Ghetto. Am Montag, dem Tag nach der Wahl, verkündet er, dass die Leute Antworten auf tabuisierte Themen haben wollen, etwa im Zusammenhang mit Einwanderung auf die Frage: "Wer passt zu uns, und wer nicht?"
Gaulands Kurs steht damit prototypisch für das Profil, das sich die vom Hamburger Wirtschaftsprofessor ins Leben gerufene AfD gegeben hat. Sie hat schnell verstanden, dass mit einem Feldzug gegen den Euro und die Bürokraten in Brüssel allein keine Wahlen zu gewinnen sind. Die Partei, die sich selbst als wertkonservativ beschreibt, setzt auch auf Themen wie innere Sicherheit und Asyl, positioniert sich dabei - teilweise weit - rechts von der CDU, gegen die sie, ebenso wie gegen die SPD, als verkrustete Altpartei wettert.
Konservative in CDU und CSU verlangen neue Strategie
Die AfD hat damit Erfolg: Hatte sie vor zwei Wochen in Sachsen bereits 9,7 Prozent der Stimmen erhalten, landete sie nun in Brandenburg und Thüringen gar im zweistelligen Bereich: Neben den 12 Prozent in Brandenburg waren es 10,4 in Thüringen. Sie machte sich dabei in den östlichen Bundesländern eine Proteststimmung zunutze: Laut der Wahlauswertung des Instituts Infratest dimap stimmten in Thüringen 97 Prozent und in Brandenburg 95 Prozent der AfD-Wähler der Aussage zu: "Es geschieht anderen Parteien recht, dass die AfD die Politik aufmischt." Die AfD wird mehr aus Zorn und Enttäuschung denn aus Überzeugung gewählt.
Sie wildert dabei unter den Wählern sämtlicher anderer Parteien. Besonders gefährlich ist sie aber vor allem für die Union. Denn die AfD deckt Positionen und Inhalte ab, die lange zu deren Hoheitsgebiet gehörten. Bisher begegneten wahlkämpfende CDU-Politiker dem Phänomen AfD vor allem mit Nichtbeachtung, doch nach den Erfolgen der Lucke-Partei ist nun eine Diskussion entbrannt, wie mit der AfD in Zukunft umzugehen sei.