Brüssel. Der umstrittene ungarische designierte EU-Bildungskommissar Tibor Navracsics würde gegen etwaige antieuropäische Tendenzen im Bildungssystem seines Landes vorgehen, falls es solche gäbe. Das sagte er am Mittwoch in Brüssel bei seiner Anhörung vor dem Europaparlament. Er versicherte, dass er als EU-Kommissar ausschließlich dem europäischen Interesse "und keinem Anderen" dienen möchte.

Gegenüber einen Hinweis auf das viel kritisierte ungarische Mediengesetz erinnerte er daran, dass er damals als Verhandler der ungarischen Regierung gegenüber Europarat und EU-Kommission aufgetreten sei. "Das war für mich auch eine Lehre - eine Lehre, wie man vermittelt, fundamentale Werte erhält, nationale und europäische Interessen harmonisiert", sagte der ehemalige Justizminister.

Für Medienpluralität

Navracsics unterstrich, dass er Werte wie gesellschaftliche Pluralität, Medienvielfalt, freie Meinungsäußerung und Medienfreiheit teile. Er erinnerte auch daran, dass unter der ungarischen EU-Präsidentschaft 2011 die europäische Roma-Strategie verabschiedet wurde.

Gleichzeitig präsentierte sich der Politiker der Regierungspartei Fidesz als passionierter Europäer: "Ich habe Diktatur und Kommunismus erfahren. Ich weiß, was es bedeutet, Europäer zu sein", unterstrich er. "Die EU ist eine Gemeinschaft von Gemeinschaften... Über die Differenzen hinaus glaube ich daran: Ich bin stolz darauf, Europäer zu sein und ich werde weiterhin darauf stolz sein" betonte Navracsics, was einige Abgeordneten mit Applaus quittierten.

Fidesz-Angehörigkeit in Kritik

Der 58-Jährige stand im Vorfeld seiner Anhörung wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur nationalkonservativen ungarischen Regierung von Viktor Orban in der Kritik. Er hatte darin ab 2010 als Minister für Justiz und Verwaltung und nach den Wahlen im Frühjahr in den vergangenen Monaten als Kurzzeit-Außenminister gewirkt.

Der Kulturausschuss des Europaparlaments wird erst am morgigen Donnerstag in einem Treffen eine erste Bewertung über Navracsics vornehmen, hieß es im Vorfeld.

Canete entschuldigt sich

Der umstrittene EU-Kommissar für Energie und Klima, Miguel Arias Canete, hat sich bei seiner Anhörung im Europaparlament für sexistische Aussagen im Wahlkampf entschuldigt, musste sich aber auch unangenehme Fragen zu Interessenskonflikten gefallen lassen. Inhaltlich nannte er die Energieversorgungssicherheit als oberste Priorität seiner künftigen Arbeit.

Canete hatte im EU-Wahlkampf gesagt, dass eine Diskussion zwischen Frauen und Männern "sehr kompliziert" sei, "denn, wenn man seine intellektuelle Überlegenheit ausspielt, wirkt man wie ein Macho, weil man eine wehrlose Frau in die Ecke drängt".

"Unglückliche Bemerkung"

Vor den Abgeordneten sagte der konservative Politiker, es habe sich um eine "unglückliche Bemerkung" gehandelt. Dafür "habe ich mich damals entschuldigt, ich tue es heute erneut". Er sei davon überzeugt, dass die "Gleichheit von Frau und Mann ein Grundpfeiler für ein gerechteres, inklusiveres und reicheres Europa" sei. Außerdem stellte Arias Canete klar, dass er alle Aktien an zwei Ölgesellschaften verkauft habe. "Weder ich noch direkte Verwandte haben Anteile davon". Damit sei er auch "weit über das hinausgegangen, was die Regelungen vorschreiben.

Vor Beginn der Anhörung wollten die Sozialdemokraten eine Verschiebung, weil sie kritisierten, dass Arias Canete drei Mal in den vergangenen 72 Stunden seine Interessenserklärung geändert habe. Ein EVP-Abgeordneter nahm den designierten Kommissar in Schutz und sprach von Ungereimtheiten in der Parlamentsverwaltung.

"Energieversorgung sichern oberste Priorität"

Zu seinem Vorhaben als Energie- und Klimakommissar sagte Arias Canete, die Zusammenführung beider Themen in einem Ressort sei richtig. Es handle sich um zwei Seiten der gleichen Medaille. Jedenfalls sei es angesichts der jüngsten turbulenten Zeiten "alleroberste Priorität, dass im Herbst und nächstes Jahr die Energieversorgungssicherheit garantiert ist". Er hoffe, dass sich bei den kommenden Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine der gesunde Menschenverstand durchsetzen werde.