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Dämpfer für Junckers Kommissionspläne

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Parlamentarier lehnen ungarischen Bewerber als Kulturkommissar ab, Kritik auch an slowenischer Kandidatin.


Brüssel. Es war der Tag der künftigen Vizepräsidenten: Gleich vier der sieben designierten Stellvertreter des nächsten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker standen in der vorletzten Fragerunde im Brüsseler EU-Parlament den Abgeordneten Rede und Antwort. Und es war der Tag, an dem sich deutlicher als zuvor zeigte, dass die künftige Behörde noch einige Hürden zu überwinden hat, bevor alle ihre Mitglieder bestätigt werden. Fünf von ihnen hatten nämlich zuvor für Zweifel unter den Mandataren gesorgt. Zumindest einen will der zuständige Ausschuss nun in einer anderen Funktion sehen. Ungarns Bewerber Tibor Navracsics sei für den Posten des Kulturkommissars nicht geeignet, befanden die Volksvertreter. Ein anderes Ressort könnte er aber übernehmen. Bedenken genährt hatte die Mitverantwortung des Regierungspolitikers für einige in der EU heftig kritisierte ungarische Gesetze.

Das macht Umschichtungen in der Aufgabenverteilung der künftigen Kommission wahrscheinlich. Denn es gibt noch weitere Einwände: auf der linken Seite des politischen Spektrums gegen den konservativen Spanier Miguel Arias Canete und den Briten Jonathan Hill, auf der rechten Seite gegen den französischen Sozialdemokraten Pierre Moscovici. Zusätzliche Fragen muss auch noch die tschechische Liberale Vera Jourova beantworten.

Unzufrieden äußerten sich einige Parlamentarier ebenso nach den Anhörungen der vier designierten Vizepräsidenten. Das betraf vor allem die slowenische Kandidatin Alenka Bratusek. Die ehemalige Ministerpräsidentin soll in der Kommission für die Schaffung einer Energieunion zuständig sein und als Stellvertreterin Junckers für die Koordination der Arbeit gleich mehrerer Kollegen sorgen. Die Erklärungen dazu waren so manchem Mandatar allerdings zu wenig.
Bei der Aufzählung ihrer Prioritäten ging Bratusek nämlich kaum ins Detail. Als eine der wichtigsten Aufgaben nannte sie die Sicherheit der Energieversorgung. Genau das aber ist – nicht erst seit der Krise um die Ukraine – eine der großen Herausforderungen für die Europäer. Denn die Hälfte ihres Energiebedarfs müssen sie importieren, und dabei ist die Abhängigkeit von einem Lieferanten immens. Kurzfristig seien die Beziehungen zu Russland daher wesentlich für die EU, erklärte die Slowenin.

Doch müsse sich die Union um eine Stärkung des Binnenmarkts bemühen. Dieser "muss viel besser funktionieren als bisher", sagte Bratusek. Vor allem hätten die Länder zusätzliche eigene Energiequellen zu erschließen. Nahe liegend sei ein Ausbau erneuerbarer Energie, doch welchen Mix es wählt, sei jedem Staat überlassen. Die Nutzung von Atomkraft sei eine nationale Entscheidung, betonte die künftige Kommissarin.

Visionäre Außenpolitik?

Weniger umstritten als Bratuseks Nominierung war die Kandidatur der italienischen Ex-Außenministerin Federica Mogherini, die Hohe Repräsentantin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik werden soll. Mehr noch als ihre slowenische Kollegin musste die Sozialdemokratin auf die Ukraine-Krise und das Verhältnis zu Russland eingehen. Dieses sei weiterhin ein strategisches Land – wenn auch derzeit nicht ein strategischer Partner. Überhaupt müsse die Beziehung zu unterschiedlichen Ländern überdacht werden, denn die Welt verändere sich. Von der EU erwarten die Bürger Reaktionen darauf, meinte Mogherini. Das müsse über kurzfristiges Krisenmanagement hinausgehen. Vielmehr sei eine Vision zu entwickeln, eine langfristige Politik, die das Zusammenwirken der Mitglieder voraussetzt.

Beschäftigen werden die Italienerin dabei nicht nur die Konflikte in der näheren sondern auch in der weiteren Nachbarschaft. Atomgespräche mit dem Iran, Ideen für das Vorgehen gegen die Terrormiliz IS in Syrien, Vermittlungsversuche im Mittleren und Nahen Osten: All das fällt in Mogherinis Zuständigkeitsbereich. Ihre Vorgängerin Catherine Ashton ist dabei oft an der Uneinigkeit der Mitgliedstaaten gescheitert.

Ähnliche Hürden könnte der lettische Anwärter Valdis Dombrovskis zu überwinden haben. Der konservative Ex-Premier, der sein Land in die Eurozone geführt hat, soll sich als EU-Kommissar um die Gemeinschaftswährung und den sozialen Dialog kümmern. Auch dazu gibt es in den Ländern unterschiedliche Meinungen. Doch betonte Dombrovskis bei seiner Anhörung, dass Wirtschaftswachstum und sozialer Ausgleich miteinander verbunden werden müssten. Daher sehe er als seine Prioritäten neben der Förderung der Ökonomie und der Stabilisierung des Euro ebenso die Koordinierung der Sozialpolitik an. Dafür sei etwa die verstärkte Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern nötig.

Weitergehende Initiativen wie etwa die Schaffung einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung wollte der Lette freilich nicht ankündigen. Ein politischer Konsens dazu ist nämlich nicht in Sicht. Festhalten will Dombrovskis hingegen am Kurs der Budgetkonsolidierung. Doch die Vorgaben dazu könnten unter Umständen verbessert werden.
Auch sein estnischer Kollege Andrus Ansip kann sich Änderungen vorstellen – und zwar bei einigen Datenabkommen mit den USA. Der Liberale ehemalige Premier soll das Ressort für den digitalen Binnenmarkt leiten.

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