Kiew. Die pro-europäischen Kräfte haben die Parlamentswahl in der Ukraine gewonnen - und zwar deutlicher als erwartet. Der Block des Präsidenten Petro Poroschenko und das Bündnis von Premier Arseni Jazenjuk lieferten sich gestern ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Sieg. Das ist eine Überraschung, denn im Vorfeld war man davon ausgegangen, dass Poroschenko überlegen gewinnt. Klar ist nun: Das Duo, das jetzt schon an den Hebeln der Macht sitzt, wird weitermachen. Gemeinsam kommen die zwei Parteien auf über 40 Prozent.
Die zweite Überraschung ist das gute Abschneiden der pro-europäischen Bewegung "Samopomitsch" des Bürgermeisters von Lemberg, Andrij Sadowij. Die liberale, pro-westliche Partei kommt auf rund elf Prozent.
Rechte Gefahr als Chimäre
Die größte Überraschung aber ist das schlechte Abschneiden der Rechtspopulisten unter Oleg Ljaschko. Diese waren vor der Wahl sogar auf Platz zwei vermutet worden, jetzt landen sie wohl nur auf dem fünften Rang. Die rechtsextreme Swoboda wird ebenfalls maximal das Dasein einer Kleinpartei fristen, der gefürchtete "Rechte Sektor" selbst war mit weniger als zwei Prozent meilenweit von einem Einzug in das Parlament entfernt.
Das ist deswegen bemerkenswert, weil Moskau nach dem Umsturz in Kiew im Februar stets darauf gepocht hat, dass nun faschistische Elemente die Macht ergriffen hätten. Der Argumentation, dass es sich um Schlägertrupps handle, die am Ende des Tages politisch wenig Gewicht hätten, war der Kreml nicht zugänglich. Der Erfolgsautor und gebürtige Russe, Wladimir Kaminer, beurteilt die Lage entsprechend hämisch. Er wisse nicht, wie der russische Präsident das schlechte Abschneiden der Rechtsradikalen seinem Volk erklären werde. Wochenlang hätte die russische Führung verbreitet, "dass ein ganzes Volk plötzlich zu einem Nazi geworden ist", so der Schriftsteller.
Dass einzelne Politiker wie der "Rechte Sektor"-Chef Dmytro Jarosch oder der rechtsextreme Freiwilligenbataillonskommandant Andrei Bilezky über Direktmandate ins Parlament einziehen, ändert an der Gesamtlage nichts. Stellt sich jetzt die Frage, wie die Fehlperzeption von einer starken ukrainischen Rechten selbst in EU-Ländern die Runde machen konnte.
Wichtig für den künftigen Weg der Ukraine ist, dass Moskau die Wahl anerkannt hat. Hier reagiert man sogar verhalten positiv: Das Ergebnis böte die Chance, das im September verhandelte Friedensabkommen umzusetzen. Allerdings seien nach Moskauer Lesart trotzdem viele Nationalisten und Chauvinisten ins Parlament gewählt worden.