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Die Putin-Firtasch-Connection

Von Ines Scholz

Politik
Er selbst dementiert enge Verbindungen zu Putin: der von den USA wegen Bestechung gesuchte Oligarch Dmitri Firtasch.

Reuters-Bericht: Ukrainischer Oligarch erhielt Milliarden-Subvention vom Kremlführer - im Tausch gegen politische Loyalität.


Moskau/Wien. Dmitri Firtasch hat Russlands Steuerzahler viel Geld gekostet. Auf Einnahmen aus dem Gasgeschäft im Wert von 1,6 Milliarden Euro verzichtete der russische Staat zugunsten des ukrainischen Oligarchen, wie nun bekannt wurde. Für Kiews Loyalität gegenüber Moskau ließ Wladimir Putin während der Janukowitsch-Äraalso einiges springen - den Sturz des russophilen Staatschefs verhindern konnte der Kremlführer dennoch nicht. Über die geheimen Machenschaften zwischen dem reichsten Oligarchen der Ukraine, der sein geschätztes Vermögen von rund 2,4 Milliarden Euro vor allem mit dem Gashandel gemacht hat, und dem Kreml wussten bisher nur wenige Insider Bescheid: Die Deals wurden unter größter Diskretionunter der Hand vereinbart. Der Nachrichtenagentur Reuters sind nun aber russische Zolldokumente zugespielt worden, die brisante Fakten ans Tageslicht bringen. Und ein Schlaglicht darauf werfen, wie Putin und seine Entourage sich auf Kosten des russischen Volkes mit den Reichtümern des Landespolitischen Gehorsam erkaufen - und dabei wohl auch die eigenen Taschen reichlich füllen.

Im Mittelpunkt der fragwürdigen Moskau-Geschäfte mit Firtasch steht: Gasprom. Der russische Staatskonzern wird von einem engen Freund und ehemaligen KGB-Kollegen Wladimir Putins, Igor Setschin,geleitet und gilt als Brutstätte von Korruption und illegalen Geldtransfers an die russische Politelite, wie der deutsche Mafia-Experte und Autor Jürgen Roth in seinem Buch "Gazprom - Das unheimliche Imperium: Wie wir Verbraucher betrogen und Staaten erpresst werden" detailliert ausführt.

Firtasch, der derzeit in Wien auf seine mögliche Auslieferung in die USA wartet, soll durch heimliche Sondervereinbarungen mit dem russischen Gaskonzern ein kleines Vermögen verdient haben. So erhielt der heute 49-Jährige als Mitbetreiber der ominösen russisch-ukrainischen Gaszwischenhandelsfirma RosUkrEnergo über vier Jahre vier Mal mehr Gas von Gazprom als die russische Regierung bisher zugegeben hat, wie Reuters enthüllte,Und das zu äußerst günstigen Konditionen.

20 Milliarden Kubikmeter um ein Drittel des Marktwertes

Demnach bezog Firtasch binnen vier Jahren ganze 20 Milliarden Kubikmeter Gas weit unter dem Marktpreis - zu einen um rund einen Drittel niedrigeren Preis als der staatliche ukrainische Gasimporteur Naftogaz bezahlen musste. Gelaufen sind die Geschäfte laut Reuters über die zypriotische Ostchem Investments und die schweizerische Firma Ostchem Gas Trading AG, beide wurden von der Wiener Firtasch-Holding Group DF gegründet. Firtasch habe dank des Sonderpreises über seine beiden Firmen Mehreinnahmen in Höhe von rund 2,4 Milliarden Euro allein in diesem Zeitraum lukriert, heißt es in dem am Mittwochabend veröffentlichten Reuters-Bericht. Firtasch war an dem Privatunternehmen RosUkrEnergo damals mit rund 45 Prozent beteiligt, 50 Prozent hielt Gazprom.

Neben verbilligtem Gas erhielt der ukrainische Unternehmer weitere Unterstützung aus Moskau: Kreml-nahe Banken, darunter die mehrheitlich in Staatseigentum befindliche Gazprombank, unterstützten ihn mit Kreditrahmen von bis zu 8,8 Milliarden Euro, berichtet Reuters. Mit diesem Geld konnte sich der Firtasch neben dem Gashandel ein mächtiges Firmenimperium aufbauen - samt einflussreichem Medienkonzern und Chemiefirmen. Darüber hinaus kontrollierte der einst enge Gefolgsmann von Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch den ukrainischen Düngemittelmarkt.

Aus Russland erhielt Firtasch, der am 21. März am Wiener Firmensitz seiner Holding Group DF aufgrund eines US-Auslieferungsantrags verhaftet wurde und von Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer in Rechtsfragen vertreten wird, auch das Geld für seine Kaution in Wien: Der russische Milliardär Wassili Anissimow lieh ihm die vom Gericht geforderte Rekordkaution von 125 Millionen Euro, Firtasch wurde daraufhin aus der Haft entlassen. Eine "rein geschäftliche Transaktion", beteuert Anissimow. Firtasch sei "weder mein Freund noch ein Geschäftspartner". Anissimow gilt als Kreml-Vertrauter und leitet auch den russischen Judo-Verband; Judo ist der Lieblingssport von Präsident Wladimir Putin.

Über die wahren Hintergründe für die Sonderkonditionen für die Gazprom-Lieferungen lässt sich nur spekulieren. Reuters vermutet, dass Firtasch vor allem dafür bezahlt wurde, dass er vor dem Hintergrund des West-Ost-Ringens um Einfluss in Kiew für die Durchsetzung der Moskauer Interessen sorgt. Der Oligarch habe "immer als Mittelsmann" zwischen Wladimir Putin und Wiktor Janukowitsch fungiert und als politische Figur "Russlands Interessen in der Ukraine repräsentiert", wird Wiktor Tschumak, Ex-Vorsitzender des Anti-Korruptionsausschusses im Kiewer Parlament, von Reuters zitiert. Der Kreml dementierte umgehend, auch Firtasch bestreitet enge Kontakte zu Putin. "Firtasch ist ein unabhängiger Unternehmer und verfolgt seine eigenen Interessen", ließ Putin-Pressesprecher Dmitri Peskow via Reuters ausrichten. "Ich bin keine Figur, die Putin irgendwie interessieren oder eine Gefahr für ihn sein könnte", versicherte Firtasch nach seiner Verhaftung in Wien.

Dafür könnten sich die USA für Firtaschs heimliche Allianzen mit dem Kremlchef umso mehr interessieren. Zumal auch Putin selbst und sein KGB-Politclan laut Kremlkritikern Schwarzgelder in Milliardenhöhe aus Gasdeals in Offshore-Firmen geparkt haben sollen. Der Gasmilliardär könnte damit zu einer Art Kronzeuge im Kalten Krieg gegen Russland werden - so er ausgeliefert wird.