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"Ed hat ehrenwert gehandelt"

Von WZ-Korrespondent André Anwar

Politik

Edward Snowdens Vater nahm für ihn den Alternativen Nobelpreis entgegen - und verteidigt dessen Enthüllungen - Interview.


Stockholm. Der US-Bürger Edward Snowden (31) hat am Montag im Stockholmer Reichstag den als Alternativen Nobelpreis bekannten Right Livelihood Award erhalten - zusammen mit "Guardian"-Herausgeber Alan Rusbridger. Der Ex-NSA-Mitarbeiter wurde für "seinen Mut und seine Kompetenz" geehrt, "das beispiellose Ausmaß staatlicher Überwachung zu enthüllen, die grundlegende demokratische Prozesse und verfassungsmäßige Rechte verletzt". Da Schwedens Außenministerium den Antrag des grünen Koalitionspartners ablehnte, den nach Russland geflüchteten Whistleblower im Regierungsflugzeug zur Preisverleihung nach Stockholm zu bringen, nahm Snowdens Vater Lon den Preis entgegen. Mit ihm sprach in Stockholm die "Wiener Zeitung".

"Wiener Zeitung": Wie geht es Ihrem Sohn in Moskau? Hat er Heimweh?Lonnie Snowden: Ed geht es ausgezeichnet in Russland, ich hab ihn gesehen, darf aber nicht sagen, wo er sich dort genau befindet. Er hat ein gutes, stützendes soziales Umfeld um sich herum. Er war schon immer so dünn (lacht). Das ist er, weil er fit ist. Schon als Junge hat er Kampfsport wie Kung Fu trainiert. Dabei ging es ihm aber sehr um das Innere, um die Spiritualität dieser asiatischen Kampfsportarten, nicht so sehr um das Kämpfen.

Gibt es derzeit Verhandlungen, um Edward Snowden zurück in die USA zu holen?

Seit April hat sich nicht viel getan. Es gab Gespräche.Es gibt aber keinen Fortschritt, Snowden straffrei zurückholen zu können.



Würde er gern heimkommen?

Ja unheimlich gern - und seine Reisefreiheit zurückerlangen. Bei uns in den USA wird er aber bedroht, verfolgt und verurteilt. Und daran wird sich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen leider erst einmal nichts ändern.

Hat er noch Geheimnisse, von denen die Welt bald erfahren wird?

Ed hat sein Material an verantwortungsbewusste Journalisten übergeben. Er selbst hat keinen Zugang mehr dazu. Diese Journalisten sagen, dass es sehr komplizierte Sachverhalte darin gibt und noch mehr Enthüllungen angekündigt. Gerade wurde ja erst bekannt, dass Vodafone in Großbritannien Leitungen für den Geheimdienst angezapft hat. Darüber wird aber wenig berichtet.

Sind Sie enttäuscht darüber, dass Deutschland Ihrem Sohn kein Asyl geben möchte, obwohl er ja aufdeckte, dass der US-Geheimdienst NSA Bundeskanzlerin Angela Merkels Mobiltelefon abgehört hat?

Nein, ich bin den Deutschen sehr dankbar für deren riesige Unterstützung. Als Exil ist Russland derzeit ohnehin der sicherste Ort für meinen Sohn.

Putins Russland als Exil, wird das nicht immer problematischer für Ihren Sohn, mit Blick etwa auf den Ukrainekonflikt?

Russland war nicht eingeplant. Er strandete dort, weil die USA seinen Reisepass für ungültig erklärt hatten, als er 2013 aus Hongkong kam. Als Eds Vater bin ich dem russischen Volk sehr dankbar, dass es meinen Sohn aufnahm. Ich bin auch der dortigen Regierung extrem dankbar, dass sie meinem Sohn Asyl gewährt hat. Zum Ukrainekonflikt: Edward ist mein Sohn, ein einzelner Mensch, der Asyl brauchte, weil er verfolgt wird. Er hat keinen Einfluss darauf, wenn die USA inzwischen ja fast wöchentlich irgendwo Bomben abwerfen, genauso wenig wie er Einfluss auf Moskaus Handlungen in der Ukraine hat.

Wie sehen Sie seine Handlungen? Kurz nach seiner Flucht flehten Sie Ihren Sohn auf Fox News an, keine US-Geheimnisse mehr preiszugeben.

Vom jenem Fox-Interview distanziere ich mich heute ausdrücklich. Sie müssen verstehen, ich habe 30 Jahre als Militäroffizier bei der Küstenwache gedient und bin meinem Land gegenüber stets loyal gewesen. Ich hatte Angst, dass man Ed des Hochverrats anklagt. Es war alles sehr durcheinander zu Beginn, Journalisten standen vor meinem Haus. Aber als ich verstanden habe, was mein Sohn da der Öffentlichkeit enthüllt hat, wurde mir bewusst, dass es richtig war. Er hat sehr ehrenwert gehandelt. Er versucht ja, mit seinen Handlungen die Verfassung, die Grundrechte der Bürger der USA zu beschützen.

Warum hat Edward das alles persönlich auf sich genommen?

Als sein Vater denke ich manchmal egoistisch und frage mich das auch. Aber was er getan hat, musste er tun. Er hat immer schon ausschließlich die Wahrheit gesagt. Ed war in einem moralischen Dilemma angesichts dessen, was er über die Massenüberwachung des NSA wusste, die Öffentlichkeit aber nicht wusste. Er war immer ein guter, ehrlicher Junge. Alles, was er über den US-Geheimdienst preisgegeben hat, hat sich als wahr erwiesen.

Haben Ihrer Meinung seine Enthüllungen irgendwen gefährdet?

Nein, Ed war sehr vorsichtig. Die Behauptung, er habe Leben gefährdet, ist Propaganda, um meinen Sohn schlechtzumachen und von dem abzulenken, was er an Tageslicht brachte.

Zur Person

Lonnie

Snowden,

(53), wuchs in Elizabeth City, North Carolina auf, wo er 1979 heiratete. 1983 kam der gemeinsame Sohn Edward zur Welt. Der pensionierte Ex-Militäroffizier der Küstenwache besuchte im Oktober 2013 erstmals seinen Sohn im russischen Exil.