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Der Umgang mit Rechtsaußen

Von Alexander U. Mathé und Alexander Dworzak

Politik

Quer durch Europa haben sich rechtspopulistische Parteien etabliert. Ihre Gegner hatten sehr unterschiedliche Konzepte.


Wien. Die Österreicher waren die Ersten. Der Testballon sozusagen. Mit der FPÖ erstarkte in den 1990er Jahren erstmals in der Nachkriegszeit eine Partei rechts der Rechten dermaßen, dass eine Regierungsbeteiligung stark möglich wurde. Die Tendenz nach Rechtsaußen war damals in ganz Europa spürbar: Die Ukip hatte sich von 1994 mit einem Prozent bis 1999 auf sieben Prozent gesteigert, die Front National von 1988 mit etwa 10 Prozent auf 15 Prozent in 1997 und die FPÖ hatte sich von 1986 mit knapp 10 Prozent auf 27 Prozent in 1999 hochgearbeitet.

Mit einer gewissen Spannung blickte Europa darauf, wie Österreich mit dieser Situation umgehen würde. Der damalige französische Präsident Jacques Chirac soll, so heißt es, Wolfgang Schüssel von der ÖVP - bildlich gesprochen - mit Tod und Verderben gedroht haben, sollte er eine Koalition mit der FPÖ eingehen. Eine Drohung, die schließlich wahr gemacht wurde.

Für die französischen Konservativen, die gegenüber der rechtspopulistischen Front National eine klare Politik der Ab- und Ausgrenzung betrieben, war eine Koalition der beiden Lager ein Tabu. Die Idee dahinter: Auf keinen Fall sollten die Rechtspopulisten und ihre Inhalte durch eine Regierungsbeteiligung legitimiert werden. Eine Strategie, die es ebenso in Belgien mit dem sogenannten "cordon sanitaire" gegen den Vlaams Blok, den heutigen Vlaams Belang, gab. Alle anderen Parteien hatten sich darauf geeinigt, unter keinen Umständen eine Regierung mit den Rechtspopulisten zu bilden. Diese Strategie verfolgte man auch in Schweden gegen die Schwedendemokraten. Die ging dort sogar über die Parteigrenzen hinaus: Lange Zeit weigerten sich alle schwedischen Medien geschlossen, Werbung für die Rechtspopulisten zu schalten.

Die ÖVP unter Schüssel ging einen anderen Weg und die Devise lehnte sich wohl an das nepalesische Sprichwort "Umarme Deinen Feind, Du machst ihn bewegungsunfähig" an. Schon damals gab es die Theorie, dass eine Regierungsbeteiligung eine Partei entzaubern kann, die ihre Stärke hauptsächlich aus der Kritik am Establishment und aus einfachen Antworten auf komplizierte Probleme schöpft.

Die Ächtung Österreichs durch Frankreich machte die Sache zwar nicht einfacher, doch sollte es tatsächlich Schüssels Strategie gewesen sein, die FPÖ durch eine Regierungsbeteiligung zu zerstören, so war diese von Erfolg gekrönt. Bei den Neuwahlen im Jahr 2002 stürzte die FPÖ auf 10 Prozent ab, während ihr mit Karl-Heinz Grasser und Susanne Riess-Passer zwei ihrer Spitzenpolitiker absprangen und als Unabhängige von Schüssel mit Ministerposten bedacht wurden. Auch 2006 hatte sich die FPÖ mit 11 Prozent noch immer nicht erholt.

Während Österreich wegen der Strategie Blau-Schwarz zum europäischen Pariah-Staat mutierte, erfuhren Frankreichs Konservative schon bald das Scheitern ihrer eigenen Taktik. Bei den Präsidentschaftswahlen 2002 kam Jean-Marie Le Pen von der Front National auf 17 Prozent der Stimmen und zog in die Stichwahl ein. Die verlor er zwar, doch war ab diesem Moment klar, dass die strikte Ausgrenzung der Rechtspopulisten ganz klar nicht dazu geeignet war, deren Aufstieg einzudämmen. Der Lösungsansatz den Chiracs Nachfolger, Nicolas Sarkozy, brachte, war ein Rechtsruck.

Durch die Integrierung rechtspopulistischer Ideologie in das eigene Programm nahmen Frankreichs Konservative der Front National den Wind aus den Segeln. Sarkozy vertrat harte Law-and-Order-Positionen und sprach davon, wie er bestimmte Viertel mit dem Kärcher vom Gesindel säubern wollte. Das verschaffte den rechtsextremen Inhalten zwar Legitimation, doch immerhin nicht der Front National. Die Strategie zeigte Wirkung. Nachdem sie bei den Parlamentswahlen 2002 noch mehr als elf Prozent der Stimmen erhalten hatte, kam sie 2007, als Sarkozy zum Präsidenten gewählt wurde, nur noch auf knapp über vier.

Gewollt oder getrieben

Mit dem Abtritt Sarkozys von der politischen Bühne kehrte die FN auf ihren Erfolgskurs zurück. Sarkozys UMP drohte es derweil zu zerreißen. Spannungen bauten sich unter anderem auch zwischen jenen auf, die die Nähe zur FN suchten und jenen, die sie wieder ausgrenzen wollen.

In England ähnelt die Strategie David Camerons ein wenig dem Vorgehen Sarkozys. Auch Cameron ließ durch europafeindliche Sprüche und Law and Order aufhorchen. Allerdings ist bei ihm offensichtlich, dass eigentlich die Ukip unter ihrem Chef Nigel Farage die Schlagzahl vorgibt. Während es bei Sarkozy von Anfang an wie ureigenste Politik aussah, wirkt Cameron stets wie ein Getriebener.

Zur Perfektion getrieben hat die Strategie der Vorgabe politischer Inhalte die Dänische Volkspartei (DF). Sie hat die Einwanderungspolitik des Landes nach ihrem Willen verändert - und das, ohne selbst einer Regierung anzugehören. Denn die Koalition aus Rechtsliberalen und Konservativen verfügte über keine Mehrheit, von 2001 bis 2011 tolerierte die DF deren Minderheitsregierungen. Der Preis dafür: Die Ausländergesetze wurden verschärft, wesentlich weniger Asylanträge genehmigt und die Sozialleistungen für Flüchtlinge drastisch gekürzt. Für Kopfschütteln in der EU sorgte auch die zeitweise Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu Deutschland und Schweden 2011. Langzeit-Parteichefin Pia Kjaersgaard ließ sich damit die Zustimmung zu Einschnitten bei den Pensionen politisch abkaufen.

Seit drei Jahren stellen die Sozialdemokraten mit Helle Thorning-Schmidt die Ministerpräsidentin. Unter ihren Regierungen wurde zwar das rigide Punktesystem für den Nachzug ausländischer Ehepartner abgeschafft. Bestehen blieb aber das stark umstrittene Verbot für den Nachzug von Partnern aus Ländern außerhalb der EU, die jünger als 24 Jahre sind.

Die DF will die Dänen aber nicht nur von (nicht-westlichen) Ausländern abschotten. "Mehr Dänemark, weniger EU", lautet der Slogan ihres Spitzenkandidaten Morten Messerschmidt bei der EU-Wahl im Mai. Er fordert weniger Geld für Brüssel und weitere Sonderrechte für das Land, das nicht der Währungsunion angehört. Finales Ziel ist der Austritt aus der EU. Mit 26,6 Prozent wurde die DF stärkste Partei, weit vor Sozialdemokraten und Rechtsliberalen.

Mit weniger als 200 Tagen zur Parlamentswahl nimmt in Großbritannien das Szenario Gestalt an, dass die dominanten Konservativen und Labour so geschwächt werden, dass sie auch mit einem Juniorpartner keine Mehrheit mehr zustande bringen. Schon wird spekuliert, dass es in diesem Fall zu etwas kommen könnte, das auf der Insel als ausgeschlossen galt: einer großen Koalition. Und so wird Europa vielleicht in einer nahen Zukunft gespannt nach Großbritannien blicken. Denn schließlich hat das jahrzehntelange Festhalten an der großen Koalition in Österreich in den 90er Jahren den Aufstieg der FPÖ befördert.