Zum Hauptinhalt springen

Dänemark greift nach dem Nordpol

Von WZ-Korrespondent André Anwar

Politik

Dänemark beansprucht als erstes Land den gesamten Nordpol für sich. Aus der Sicht Kopenhagens ist der Lomonossow-Rücken, ein Unterwassergebirge unter der Arktis, eine Verlängerung des grönländischen Festlands und damit Teil Dänemarks.


Stockholm. Wer ist Eigentümer des Nordpols? Diese Frage dürfte an Brisanz gewinnen. Lange war die Arktis sowohl ökonomisch als auch strategisch unwichtig. Doch die Erderwärmung soll unter dem schmelzenden Eis schlummernde Rohstoffbestände bald leichter erreichbar machen und sie bietet kürzere Schiffsrouten, etwa von Europa über Russland nach China und Japan.

Dänemark hat jetzt als erstes Land seinen Hut in den Ring geworfen. Es beansprucht fast den ganzen Nordpol für sich selbst. Am Montag hat es eine offizielle Bewerbung zur Anerkennung bei der UNO in New York abgegeben. "Das Ziel dieses großen Projekts ist es, die äußeren Grenzen unseres Kontinentalsockels - und damit letztlich des Königreichs - festzulegen", verkündete Dänemarks Außenminister Martin Linegaard und sprach von einem "historisch bedeutenden Schritt".

Kopenhagen kann tatsächlich formalen Anspruch auf den Großteil des Nordpols erheben, ein Gebiet von 895.000 Quadratkilometern, das über 20 Mal größer ist als Dänemark. Denn die Insel Grönland ist teilautonomes Gebiet des Königreichs. Dänische Wissenschafter vermessen ihre Ansprüche auf den Nordpol von dort aus statt vom entfernten Festland. Bei den von der UNO zu prüfenden Messungen geht es um die Abstände zu den jeweiligen Festlandsockeln. Diese sind laut internationalem Recht maßgeblich für die Festlegung nationaler Wirtschaftszonen. "Wenn diese Grenzen einmal festgelegt sind, gelten sie ewig", betonte Linegaard. Zwölf Jahre lang haben dänische Wissenschafter Daten von Grönland und den Schafsinseln für die UNO-Bewerbung gesammelt. Kosten insgesamt: 330 Millionen Kronen (44 Millionen Euro). Demnach gehört der Lomonossow-Rücken, ein Unterwassergebirge unter der Arktis, zum Festlandsockel Grönlands und damit zu Dänemark.

Allerdings tritt Dänemark nun mit seinem Anspruch als David gegen zwei Goliaths an. Russland erhebt auch Eigentümerrechte, wenn auch noch nicht offiziell mit wissenschaftlichem Material für die UNO. Stattdessen ließ Moskau seine Muskeln spielen. 2007 rammte ein U-Boot medienwirksam eine Russlandflagge auf den Meeresgrund der Arktis. Der Zeitpunkt Dänemarks für seine Bewerbung sei sehr schlecht gewählt, wegen der erhöhten Spannungen zwischen Russland und dem Westen, warnte der kanadische Arktisexperte Professor Michael Byers in der dänischen "Zeitung" Politiken.

Auf der anderen Seite des Nordpols liegt Kanada, das auch den Nordpol beansprucht, mit Unterstützung der USA. Erst 2013 hatte Kanadas Premierminister Stephen Harper einen Bericht seiner Wissenschafter verworfen, der zum Ergebnis kommt, dass Kanada wenig geographischen Anspruch auf den Nordpol hat. Die Wissenschafter wurden gebeten, anders zu rechnen.

Umweltorganisationen fordern von den Arktisanrainern, auf ihre Ansprüche ähnlich dem internationalen Abkommen zur Nichtausbeutung der Antarktis von 1961 (Antarktisvertrag) zu verzichten. "Für mich ist der Gedanke, dass ein einzelnes Land den Nordpol besitzen kann, unglaublich abstoßend", sagt Simon Anholt vom "Good Country Index". Das kommt im Norden nicht gut an. "Einige Leute haben die Fehlwahrnehmung, dass die Arktis so etwas wie ein gemeinsames Erbe der Menschheit sei, so wie die Antarktis. Aber während die Antarktis ein Kontinent ist, ist die Arktis ein Ozean - und für den gilt das Internationale Seerecht", konterte Norwegens Ex-Außenminister Espen Barth. Die Ausbeutung der Arktis werde kommen. Deshalb sei es wichtig, sie geordnet durchzuführen und festzulegen, wem was gehört, so Barth.