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Schwamm drüber?

Von Michael Schmölzer

Politik

Indien und China wollen alte Rivalitäten überwinden.


Peking/Neu Delhi. Die Beziehungen sind mehr von Rivalitäten denn von Kooperation geprägt, doch das soll sich ändern: Am Freitag kamen Chinas Staatschef Xi Jinping und der indische Premier Narendra Modi in betont informellem Rahmen zusammen, um neue Perspektiven zu eröffnen. Treffpunkt war die zentralchinesische Stadt Wuhan, in der sich schon KP-Urahn Mao Zedong gerne aufgehalten hatte. Es gehe darum, das gegenseitige Misstrauen zu überwinden, hieß es auf beiden Seiten. Indiens Premier sprach gar von einem Treffen "historischen Ausmaßes" - doch das dürfte zu hoch gegriffen sein.

Neue Zusammenarbeit?

Es handelt sich um eine Art Beziehungspflege zweier Atommächte in informellem Rahmen. Die Gespräche wurden großteils ohne Berater geführt, anwesend waren nur Dolmetscher. Das Verhältnis der beiden Giganten wird durch Streitigkeiten um das gemeinsame Grenzgebiet Doklam (Dong Lang) in den Himalayas belastet, im Sommer 2017 ist der Konflikt eskaliert und hat Ängste vor einem Krieg geschürt. Indien und China haben einen gemeinsamen Grenzverlauf, der sich über 3500 Kilometer erstreckt. Schon 1962 hatten Gebietsansprüche in der Region zu einem Krieg geführt, die Kämpfe endeten nach einem Monat mit einem chinesischen Sieg. Der aber kaum etwas an der Grenzziehung veränderte.

Im Dezember protestierte Peking, nachdem eine indische Drohne in chinesisches Hoheitsgebiet eingedrungen und abgestürzt sein soll. China werde seine "nationale Souveränität und Sicherheit" verteidigen, hieß es damals.

Konkret geht es um die Drei-Länder-Grenze zwischen Indien, China und Bhutan. Die Auseinandersetzung dreht sich um den Bau einer Straße durch die chinesische Volksarmee in einem von China und Bhutan beanspruchten Gebiet. China warf Indien vor, Truppen auf chinesisches Territorium geschickt zu haben, um den Bau zu verhindern. Dazu kommen ungelöste Hoheitsansprüche im Indischen Ozean. Chinas wachsender Einfluss in Südasien bereitet Neu Delhi zunehmend Sorgen, Peking missfällt die indisch-amerikanische Zusammenarbeit in Fragen der Nuklearenergie.

Doch eint die beiden Großmächte der Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder, der bevölkerungsreichsten Staaten der Welt. Die protektionistische Haltung der USA bedroht nicht nur das Reich der Mitte, sondern zunehmend auch Indien. Nun wird der Versuch unternommen, die Wirtschaftsbeziehungen wieder zu verbessern. "In einer Welt wie dieser ist es umso wichtiger, dass wir gut zusammenarbeiten", hieß es aus Peking. Unter anderem geht es Xi darum, in einem möglichen Handelskrieg mit den USA einen neuen Verbündeten zu bekommen.

Bootsfahrt geplant

Das 24 Stunden dauernde, bewusst in lockerer Atmosphäre stattfindende Treffen endet am Samstag ohne ein abschließendes Memorandum. Es gehe um einen möglichst offenen Meinungsaustausch über strategische Fragen, hieß es. So hat Xi seinen Staatsgast am Freitag persönlich durch das Hubei-Museum geführt, in dem altchinesische Kunstgegenstände zu bewundern sind. Im Anschluss daran gab es ein gemeinsames Abendessen, am Samstag war ein ausgedehnter Bootsausflug geplant. Ziel sei es, ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen aufzuschlagen, so Xi gegenüber Modi. Und es gehe darum, die Position des jeweils anderen besser zu verstehen.

Die chinesischen Behörden waren bemüht, eine ungestörte Atmosphäre zu schaffen. Details wurden nicht verraten, ein Reuters-Reporter, der das Hubei-Museum in Wuhan fotografieren wollte, wurde von einem Polizeibeamten in Zivil davon abgehalten. Ein Schild am Eingang des Museums gab Auskunft, dass die Ausstellung vier Tage lang leider wegen "Instandhaltungsarbeiten" geschlossen sei.