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Zu alt und zu müde

Von WZ-Korrespondent Wolf H. Wagner

Politik

Italiens Präsident Napolitano will gehen, schon rangeln die Parteien um die Nachfolge.


Florenz. (ce) Giorgio Napolitano zieht sich aus der aktiven Politik zurück. Bereits im Oktober gab es vage Ankündigungen, dass der Staatspräsident zum Auslaufen des Jahres und mit Beendigung der EU-Präsidentschaft Italiens demissionieren könnte. Nun sagte es der 89-jährige Politiker auch selbst. Sein Abtritt ähnelt jenem des deutschen Papstes Joseph Ratzingers: Napolitano fühlt sich zu alt und inzwischen zu müde, um die immer heftiger aufkochenden Skandale - Korruption, Mafia, faschistische Terrorbanden - noch zu überschauen oder gar zu beherrschen. "Es wird Zeit, dass Jüngere das Geschäft übernehmen", sagte er am Montag vor Journalisten.

Napolitano war ein integrativer Politiker für alle Italiener. Er stand während seiner Amtszeit im Quirinale über den Interessen der politischen Konfliktgegner. Aber er kam von den Kommunisten und war klar ein Linker. Und einen weiteren "Präsidenten der Linken" wollte das Mitte-Rechts-Bündnis um Forza Italia und Lega Nord bisher verhindern. Forza-Anführer Silvio Berlusconi liebäugelte sogar lange Zeit selbst mit dem Posten als Staatsoberhaupt. Doch nach rechtskräftiger Verurteilung musste er diesen Traum ebenso aufgeben, wie den, nochmals an der Spitze einer Mitte-Rechts-Koalition für das Amt des Regierungschefs kandidieren zu können. Seine politische Macht spielte der Ex-Cavaliere damit aus, dass Ministerpräsident Matteo Renzi von der Demokratischen Partei (Pd) zur Durchsetzung seiner Reformen unbedingt auf die Stimmen der Forza Italia im Parlament angewiesen ist.

Umso erstaunlicher nun das Einlenken Berlusconis in der Frage Präsidentenwahl: "Das Problem sind nicht die politischen Wurzeln eines Kandidaten. Der Präsident muss ausgeglichen und ein Garant für die Verfassung sein, das kann auch ein Kandidat des Partito Democratico sein", gab Berlusconi zum Erstaunen vor allem der eigenen Reihen zum Besten. Kein Vorurteil gegenüber Pd-Kandidaten?

Prodi könnte antreten

Politische Beobachter in Rom sehen in der Ankündigung eine Retourkutsche gegen die eigenen Parteifreunde und bisherigen Bündnispartner. Innerhalb der Forza Italia regen sich Widerstände gegen Berlusconi, vor allem seitdem der laut über eine Führungsrolle von Lega-Chef Matteo Salvini bei den Mitte-Rechts-Kräften nachdachte. Berlusconi benutzte dabei die Fußballsprache: "Salvini ist der Goalgetter, ich ziehe die Fäden im Hintergrund". Diese Äußerungen haben in Berlusconis eigener Partei Unmut hervorgerufen. So sieht sich der 45-jährige Apulier Raffaele Fitto- vor Jahren unter Berlusconi Minister für die Regionalbeziehungen - selbst als Kronprinz. Und weder er noch die Lega oder die ebenfalls rechten Fratelli d’Italia, die Nachfolger der früheren Alleanza nazionale, können sich einen nochmaligen "linken" Präsidenten vorstellen.

Renzi seinerseits gibt sich zuversichtlich: "Wir haben eine ausreichende Mehrheit, einen Präsidenten zu wählen", erklärte der Regierungschef im Fernsehen. Er baut auf eine breite Mehrheit, in die er auch Forza Italia dank des mit Berlusconi geschlossenen Paktes sieht. Und von der linken Sel Nichi Vendolas kommt das Zeichen, dass man Romano Prodi als Präsidentschaftskandidaten unterstützen wolle. Der "Professore" ziert sich zwar noch - wegen der schlechten Erfahrungen bei der Regierungsbildung 2013 -, doch könnte sich seine Meinung durchaus noch ändern. Für viele Italiener wäre der ehemalige Regierungschef und EU-Kommissionspräsident eine durchaus achtbare Figur im Quirinalspalast. Ausgerechnet sein ehemaliger Rivale Berlusconi hätte ihm den Weg freigemacht.