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Strafbare Ausreißer-Träumerei?

Von Konstanze Walther

Politik

Am Wochenende sind zwei Mädchen festgenommen worden. Sie werden verdächtigt, nach Syrien reisen zu wollen, um den Islamischen Staat zu unterstützen. Aber ab wann wird das Liebäugeln mit dem Terrorismus zur strafbaren Tat?


Wien. Am Samstag sind zwei Mädchen im Alter von 16 und 17 Jahren in Salzburg und Oberösterreich festgenommen worden. Sie sollen versucht haben, sich an der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) zu beteiligen. Laut Staatsanwaltschaft hätten sich die Minderjährigen als "Ehegattinnen für IS-Kämpfer angeboten". In Oberösterreich wurde die 17-jährige gebürtige Bosnierin festgenommen, in Salzburg die 16-jährige Tschetschenin. Letztere war Ende Dezember in Rumänien bei einer Zugkontrolle gestoppt worden, als sie offenbar auf dem Weg nach Syrien war. Die rumänischen Behörden schickten sie zurück nach Österreich. Die heimischen Ermittler sind sich sicher, dass die 16-Jährige Kontakt zu syrischen Dschihadisten hatte. Die 17-Jährige soll von ihr angeworben worden sein. Nach Auswertung des Falles kam es am Wochenende zu den Festnahmen. Aus Österreich sind laut Innenministerium bisher 170 Menschen in den Dschihad gezogen, 60 von ihnen seien zurückgekehrt.

Neue Gesetze seit 9/11

Die Anschläge vom 11. September 2001 haben auch in Österreich eine neue Art der Gesetzgebung losgetreten. Paragrafen wurden aus dem Boden gestampft, um des Terrorismus’ rechtlich besser habhaft zu werden. Die ersten diesbezüglichen Paragrafen wurden 2002 in das heimische Strafgesetzbuch gegossen. Trotzdem bleibt es juristisch ein schmaler Grat, wann Verhaftungen von Menschen vom Gesetz gedeckt sind, die keine "klassische" Straftat begangen haben und bei denen es fraglich ist, ob sie überhaupt etwas Derartiges geplant haben.

Beiden jungen Frauen wird wahrscheinlich - die Staatsanwaltschaft Salzburg konnte bis zum Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme erreicht werden - die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§278b StGB) vorgeworfen. Hier ist aber die Frage, was dieser Paragraf alles deckt: Sind es nur physische Handlungen? Oder auch psychische Beiträge, wie etwa das Gutheißen des IS?

"Zwei schwierige Punkte bei diesem Paragrafen, der Beteiligung an einer terroristischen Organisation, sind sicherlich, worin eine Beteiligungshandlung konkret liegt und wo im Einzelfall das Versuchsstadium beginnt", erklärt Susanne Reindl-Krauskopf, Institutsvorstand des Strafrechts-Instituts des Wiener Juridikums. Denn allein psychische Beiträge, wie "die Zur-Schau-Stellung dieser Unterstützung", waren laut der bisherigen Rechtsprechung nicht als Grund für eine Verurteilung nach dem Paragrafen §278b ausreichend.

Im gesetzlich geregelten Terrorismus-Bereich wird die "Gutheißung" nicht ausdrücklich geregelt, wie es etwa dagegen bei dem NS-Verbotsgesetz der Fall ist. Insofern könnte man sagen, dass das bloße Gutheißen eben noch nicht strafbar ist. Anders als das öffentliche Gutheißen, etwa im Internet, das wäre der relativ neue Paragraf (aus dem Jahr 2011) nämlich 282a StGB, der die "Aufforderung zu terroristischen Straftaten oder öffentliche Gutheißung einer Straftat" verbietet. Das könnte Menschen betreffen, die im Internet mit Terror-Akten sympathisieren.

Ab wann ist es ein Versuch?

Bei den Mädchen wird es wohl beim Vorwurf des Versuchs der Beteiligung einer terroristischen Organisation bleiben. Versuch deshalb, weil beide wahrscheinlich noch keine tatsächliche Handlung als Mitglieder einer solchen Vereinigung gesetzt haben - sie haben den IS wohl weder finanziell noch physisch unterstützt. Man weiß lediglich, dass sich die Mädchen als "Ehegattinnen" anbieten wollten. Aber damit ein Versuch auch tatsächlich strafbar ist, müssen sich die potenziellen Täter in zeitlicher und örtlicher Nähe zu der Ausführung befinden, also der Ankunft in Syrien, oder man muss es ihnen nachweisen können, dass in ihrem Kopf "schon eine gewisse Automatik begonnen hat, das heißt, dass man schon fest entschlossen ist, die Tat in die Wirklichkeit umzusetzen", erklärt Reindl-Krauskopf.

Dass es sich bei beiden Festgenommenen um Teenager handelt, ändert nichts an den Grundsätzen der Beurteilung. Es könnte aber sein, dass in dem einen oder anderen Fall der Reifungsprozess vielleicht noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass jedem Teenager im Einzelfall das Unrecht der Tat auch bewusst ist. Fest steht, dass die derzeitigen Gesetze das Sicherheitsbedürfnis offenbar nicht abdecken, weder in Österreich noch in Deutschland. In Berlin arbeitet die Regierung an noch repressiveren Gesetzen, um der gefühlten Bedrohung Herr zu werden. Islamisten in Deutschland sollen notfalls durch den zeitweisen Entzug des Personalausweises an der Ausreise nach Syrien oder in den Irak gehindert werden. Ein vergleichbares Prozedere gibt es in Österreich noch nicht. Das deutsche Bundeskabinett will einen Gesetzentwurf zum Entzug des Ausweises am Mittwoch auf den Weg bringen. Der Ausweis soll den betreffenden Personen bis zu drei Jahre abgenommen werden, vorher waren maximal 18 Monate vorgesehen.

Während dieser Zeit erhalten die Extremisten ein Ersatzdokument, mit dem sie Deutschland nicht verlassen dürfen. Allerdings soll ständig überprüft werden, ob die Voraussetzungen noch vorliegen. Schon jetzt kann unter bestimmten Umständen der Reisepass eingezogen werden. Der Personalausweis reicht im Schengen-Raum und einigen Drittstaaten aber oft aus. Kämpfer gelangen etwa über die Türkei nach Syrien.

Justizminister Heiko Maas arbeitet an einem Gesetz, um schon die Vorbereitung einer Ausreise zu ahnden. Künftig soll sich strafbar machen, wer Deutschland verlassen will, um sich an "staatsgefährdenden Gewalttaten" im Ausland zu beteiligen oder wenn er sich in einem Terrorcamp dafür ausbilden lassen möchte. Maas setzt damit eine UN-Resolution vom September um, in der sich die Staaten auf Maßnahmen gegen die ausländischen Jihad-Kämpfer verständigt haben. Ein Entwurf soll im Jänner vorliegen.

Den Behörden zufolge sind 550 Menschen aus Deutschland in die Kampfgebiete in Syrien und im Irak ausgereist.