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"Ist Breivik jetzt zum Islam konvertiert?"

Von Michael Schmölzer

Politik

Kontroversielle Debatte über Terror im Wiener Volkstheater.


Wien. Wenn in der "Roten Bar" im Wiener Volkstheater Persönlichkeiten wie der Philosoph Konrad-Paul Liessmann, der Grün-Politiker Peter Pilz und der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak aufeinandertreffen, dann ist für eine hochkarätige Diskussion gesorgt: So geschehen am Mittwoch zu später Stunde, als, moderiert von der Journalistin Sybille Hamann, das Thema "Terrorismus: Die neue Art des Krieges?" zur Debatte stand. Anlass war der Anschlag auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion, doch Liessmann fand schon zu Beginn eine Antwort auf die Fragestellung, die Letztere beinahe ad absurdum führte: Der Erste Weltkrieg als Paradebeispiel für den klassischen, symmetrischen Konflikt sei immerhin von einem Terroranschlag ausgelöst worden, befand der Philosoph. Nicht anders sei das Attentat auf den Thronfolger 1914 zu bewerten: "Da war kein Freiheitskämpfer am Werk, das war ein Terrorakt auf Unbewaffnete."

"Übersteigertes Machtbedürfnis"

Ziemlich schnell war man sich einig, dass es das Phänomen Terrorismus offenbar schon sehr lange gibt - also geriet die Frage, woher der Hass islamistischer Terroristen auf den Westen komme, ins Zentrum. Die Psychiaterin Adelheid Kastner, die unter anderem als Gerichtsgutachterin im Fall Fritzl und der Causa Kremsmünster tätig war und die ebenfalls auf dem Podium war, attestierte den Tätern psychische Gesundheit. Diese verfügten über Wahl- und Willensfreiheit, feststellbar sei aber ein "übersteigertes Bedürfnis nach Macht". Das könne gemeinsam mit "religiöser Unterfütterung viel anrichten". Den Tätern gehe aus darum, sich von der Masse abzuheben. Eines der Ziele der Verbrecher sei, dass sich die Gesichter der Täter möglichst lange im kollektiven Bewusstsein "einbrennen". Durch ausführliche Berichterstattung würden die Medien für die Erfüllung dieses Zieles sorgen. "Genau das wünschen sich die Terroristen", so die Psychiaterin.

Der Grün-Politiker Peter Pilz konnte in diesem Zusammenhang von Erfahrungen berichten, die er im Austausch mit tschetschenischen Jugendlichen gesammelt hatte. Diese kämen, traumatisiert, aus kriegsähnlichen Verhältnissen nach Österreich, um dann festzustellen, dass sie "hier der letzte Dreck sind". Dann, so Pilz, würden Verführer auf den Plan treten, die den Jugendlichen - "oft sind das intelligente, sensible Menschen" - vermitteln, dass der Staat, in dem sie lebten, der falsche sei. Das islamistische Kalifat mit seiner totalitären Ordnung sei hier der Ausweg. Den jungen Menschen werde gesagt, dass sie toll und Gewinner seien. So wurden sie für das IS-Projekt in Syrien und Irak gewonnen.

Der Uni-Professor Manfred Nowak, zuvor Beauftragter der UNO im Kampf gegen die Folter, sieht in der "Arroganz des Westens" einen der Gründe für den islamischen Terrorismus. Die neue, seit dem Fall des Kommunismus absolute kapitalistisch-neoliberale Weltordnung führe zu Ungleichheit und Armut, dem "Nährboden" des Terrors.

Diese Argumentation weckte Liessmanns Widerspruchsgeist: Der Westen, so der Philosoph, könne sich nicht permanent für jeden Missstand auf der Welt verantwortlich gemacht werden. Das seien Allmachtsfantasien. Außerdem sei Osama bin Laden gleichsam als Capo di Capi aller islamistischen Terroristen nicht unterprivilegiert, sondern Multimillionär gewesen. Auch die RAF-Mitglieder wären aus klassischen Mittelschicht-Familien gekommen. Bemerkenswert sei zudem, dass seit der Revolution 1979 im Iran der Terrorismus rein islamistischen Hintergrund habe. Pilz konterte: "Jetzt ist der Anders Behring Breivik hinter meinem Rücken zum Islam konvertiert."

Nowak entgegnete, er halte den Westen nicht für allein-, sondern mitverantwortlich für den islamistischen Terror. So wünsche er sich nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" eine klare, ablehnende Stellungnahme der islamischen Religionsgelehrten.

Einig war man, dass sich in der islamischen Welt ebenso wie im Westen eine säkulare Welt durchsetzen müsse. Auch im Westen habe man religiöse Strukturen erst aufbrechen müssen. Pilz: "Vor 1945 war der Islam bestenfalls ein regionales politisches Phänomen. Die gefährlichste Religion wäre damals der Katholizismus gewesen, "der war mit dem Faschismus verbündet" so Pilz.

Pilz plädiert fürPanzer und Polizei

Die Lösung des Terrorproblems muss laut Pilz in zwei Schritten erfolgen. Langfristig gehe es darum, das Projekt der Umverteilung zu stoppen, ein Abrutschen vieler an den Rand der Gesellschaft zu verhindern. Mit Verweis auf die massiven sozialen Probleme in den französischen Banlieues meinte Pilz, er sei froh, in Österreich Politiker zu sein.

Unmittelbar sei das Problem nur mit "polizeilichen und militärischen Mitteln " zu lösen, so, der Grün-Abgeordnete, der jetzt Panzer und Polizeischutz für durchaus notwendig hält. "Noch vor zehn Jahren hätte ich nicht einmal geträumt, dass ich so etwas einmal fordern werde", gestand Pilz ein.