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Auf der Jagd nach Investitionen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU will mit 315-Milliarden-Euro-Programm Wirtschaft ankurbeln.


Brüssel. Mario Draghis Worte waren noch nicht verklungen, da kam schon der Ruf nach einem "Mehr". Die vom Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) angekündigten Wertpapier-Käufe können nicht das einzige Mittel gegen die Konjunkturflaute sein, hieß es aus konservativen Kreisen im EU-Parlament. Die Reformbemühungen der Mitgliedstaaten müssen weitergehen. Zusätzliche Flexibilität bei der Einhaltung der Regeln zur Haushaltsdisziplin sei nötig, meinten hingegen die Sozialdemokraten. Gemeinsam aber fordern die zwei größten Fraktionen mehr Investitionen.

Die hat ihnen der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, bereits vor einiger Zeit versprochen. Und es war so etwas wie eine neue Gründerzeit-Stimmung, die er dabei beschwören wollte. Es sei nicht nur Geld, sondern auch unternehmerischer Elan nötig, um die Wirtschaft in Europa wieder anzukurbeln, befand Juncker, als er vor den Europaabgeordneten Details seines groß angelegten Investitionsprogramms präsentierte. An finanziellen Mitteln mangle es in der Union nicht, doch zeigen sich die Betriebe bei Investitionen zögerlich. Hinzu kommen bürokratische Hürden für die Firmen und ein Binnenmarkt, der zwar als ein Grundpfeiler der Gemeinschaft angesehen wird - aber eben noch nicht vollständig errichtet ist.

Ein wachstums- und unternehmensfreundliches Klima zu schaffen ist daher eine der Forderungen der Kommission an die Mitgliedstaaten. Das sei in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik zu rücken, drängen ebenfalls Wirtschaftskreise, die in Teilen auf die Vorbild-Funktion der EZB verweisen. Mögen deren Maßnahmen auch umstritten sein, wird in Frankfurt immerhin oft deutlicher Initiative gezeigt denn in Brüssel.

Mit ihrem Investitionsplan will die Kommission nun die Länder dazu bringen, mit neuen Projekten das ökonomische Wachstum anzuschieben. In drei Jahren sollen 315 Milliarden Euro in das Programm fließen, wovon 75 Milliarden Euro kleinen und mittleren Betrieben zugutekommen sollen. Frisches Geld kann das allerdings nur zum Teil sein. Vielmehr setzt die Behörde auf einen sogenannten Multiplikator-Effekt.

2000 Ideen für Projekte

Zunächst einmal wird ein neuer Fonds bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingerichtet, den diese mit fünf Milliarden Euro speist. Acht Milliarden Euro kommen aus dem EU-Haushalt, der insgesamt 16 Milliarden Euro garantiert. Mit diesen 21 Milliarden Euro soll die EIB Kapital in Höhe von 60 Milliarden Euro aufnehmen und damit Investoren anlocken. Die sollen die Mittel dann verfünffachen. Auf diese Weise, so ist zumindest die Hoffnung, generiert ein Euro fünfzehn Euro.

Das Interesse der Länder ist bereits groß; an Ideen, wie das Geld verwendet werden könnte, fehlt es nicht - auch wenn die Mittel noch gar nicht zur Verfügung stehen. Die Liste der in den Staaten gesammelten Projektvorschläge umfasst hunderte Seiten. Der Finanzierungsbedarf würde dabei deutlich über der geplanten Summe liegen. Die 2000 Vorhaben hätten einen Umfang von rund 1,3 Billionen Euro. Sie reichen vom Ausbau von Autobahnen und Netzen zur Versorgung mit Energie oder Internet über Maßnahmen zum Umweltschutz bis hin zu sozialer Hilfe. Auch umstrittene Projekte, wie der Bau von Atomkraftwerken, finden sich darunter. Österreich hat 19 Vorschläge eingereicht, im Umfang von gut 28 Milliarden Euro. Dazu gehört beispielsweise die Errichtung des Pumpspeicher-Kraftwerks Pfaffenboden in Molln in Oberösterreich oder der Mur-Staustufe in Puntigam.

Skeptiker weisen bereits darauf hin, dass die Liste etliche Vorhaben beinhaltet, die den Versprechen der jeweiligen Politiker äußerst ähneln. Finanziert würden so in erster Linie Projekte, die sowieso umgesetzt werden würden - wenn der öffentlichen Hand nicht das Geld ausgegangen wäre. Dem halten EIB-Experten aber entgegen, dass es nicht um zusätzliche Unterstützung für den Staat gehe, sondern vielmehr privaten Investoren ein Teil des Verlustrisikos abgenommen werden soll. Auch die EU-Kommission betont, dass die Auswahl der Konzepte keineswegs nach politischen Kriterien erfolgen soll.

Experten statt Politiker

Wer zum Zuge kommt, soll daher im neuen Investitionsfonds ein siebenköpfiges Expertenkomitee entscheiden. Dessen Direktor und sein Stellvertreter werden auf Grundlage eines gemeinsamen Vorschlags der EU-Kommission und der EIB ernannt. Das Gremium, das der Leitung des Fonds verantwortlich ist, soll ab Sommer die Vorhaben "ohne jegliche geografische oder sektorielle Quote" prüfen. Unterstützt können die bereits eingereichten oder weitere Projekte werden.

Dass die Länder tatsächlich keinen Einfluss auf die Auswahl haben werden, ist freilich nicht sicher. Immerhin sind sie eingeladen, ebenfalls Geld in den Fonds einzuzahlen. Ein Anreiz dafür wären eben Stimmrechte in dem Lenkungsgremium. Ein weiteres Lockmittel hat die Kommission auch parat: Die Beiträge, die die Staaten in den Investitionstopf fließen lassen, werden bei der Bewertung des Budgetdefizits nicht berücksichtigt.