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Der Feind aus dem eigenen Lager

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Viktor Orbán hat mit dem Oligarchen und Weggefährten Lajos Simicska auf einmal einen ernst zu nehmenden Gegner.


Budapest. Viktor Orbán hat erstmals seit seinem Machtantritt 2010 einen ernst zu nehmenden Gegner - und der kommt erwartungsgemäß nicht aus der schwachen links-liberalen Opposition, sondern aus den eigenen Reihen. Sein langjähriger politischer Weggefährte, der Oligarch Lajos Simicska, erklärte ihm den "totalen Krieg".

Daraufhin kündigten die Chefredakteure der von Simicska kontrollierten, bisher regierungstreuen Medien aus "Gewissensgründen" und traten in das Orbán-Lager über - darunter die Chefs der bisherigen Fidesz-Flaggschiffe, des Senders Hir-TV und der Zeitung "Magyar Nemzet". Simicska gab sich überrascht und machte mit nicht druckfähigen Worten seiner Wut über die "Verräter" Luft: "Orbán ist mir in den Rücken gefallen."

Unerwartet kam dieser Bruch aber auch für Simicska nicht. Immerhin hat er binnen weniger Stunden nach dem Abgang der "Deserteure" deren Posten neu besetzt und auch noch den bisherigen Miteigentümer und Chefredakteur von "Magyar Nemzet", Gábor Liszkay, ausgezahlt - bevor er zum Skiurlaub nach Österreich verschwand. Vorher drohte Simicska noch: "Ich weiß sehr viel über Orbán."

Das ist nur natürlich: Nach 35 Jahren Freundschaft weiß man viel übereinander, wohl auch manches Unliebsame. Gerade deshalb hatte ein offener Konflikt bisher als undenkbar gegolten.

Simicska sagte jetzt, dass er sich mit Orbán seit dessen Wiederwahl im Frühjahr 2014 nicht mehr verstehe.

Die Beiden haben im heimatlichen Székesfehérvár dasselbe Gymnasium besucht und gehörten zum antikommunistischen studentischen Stoßtrupp, der in den späten 1980er Jahren die Atmosphäre im Bíbó-István-Studentenheim prägte. Einige dieser Wohnheime, darunter auch das "Bíbó", waren damals auch politische Think-Tanks und Wegbereiter der Wende. Simicska hat an Orbáns Seite den Weg des schon 1988 gegründeten Fidesz von einem liberalen Rebellenverein zu einer nationalkonservativen Partei gestaltet, vor allem als Finanzier aus teilweise dubiosen Geschäften im Bau- und Agrarsektor. "Wir wollten gemeinsam die Diktatur und das post-kommunistische System abreißen. Von der Errichtung einer neuen Diktatur war keine Rede!" schimpfte Simicska jetzt.

Der Oligarch hat auch Orbáns Moskaufreundlichkeit kritisiert. Darin dürfte die Sprengkraft dieses Konflikts liegen. Etliche Fidesz-Politiker und -Wähler sehen den Pro-Putin-Kurs mit Sorge. Sie könnten nun in Simicskas Schlepptau mutiger, lauter und zahlreicher werden. Putin wird am 17. Februar zu Besuch in Budapest erwartet, nur zwei Wochen nachdem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Budapest für ihren Russlandkurs geworben hat.

Ob wirklich die Russland-Politik den Oligarchen definitiv verärgert hat, ist fraglich. Vielmehr dürfte ihm zu schaffen machen, dass seine Firmen bei Orbán in Ungnade gefallen sind. Anlass für den Bruch war, dass Simicska seine Interessen gefährdet sah, nachdem eine Einigung zwischen Orbán und dem Sender RTL Klub in Sichtweite rückte. Zu diesem Konflikt kam es, weil Ungarn RTL Klub mit einer sehr hohen Werbesteuer geschröpft hat. Orbán sagte, wenn der Steuersatz für RTL gesenkt werde, müsse das ausbleibende Geld von woanders hereingeholt werden. Also drohen dem Simicska-Imperium höhere Steuern.

Schwere Blessuren möglich

"In diesem Konflikt ist Simicska zur Niederlage verurteilt". Das sagt einer, der die beiden gut kennt - nämlich der Politologe Lászlo Kéri, Gründer des Bíbó-Studentenkreises. Doch hält auch Kéri schwere Blessuren innerhalb des Fidesz für möglich: Simicska habe viele Beziehungen und "Zeitbomben" auf Lager, die "für Orbán eine größere Gefahr bedeuten als alle Oppositionsparteien zusammen".