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Schuldenstreit in entscheidender Runde

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Nachjustierung mit Symbolkraft: Nicht einmal die Flaggen wehen im Gleichklang. Auch die Vorstellungen zwischen Brüssel und Athen über weitere EU-Hilfe divergieren trotz des Briefes .
© reu/Herman

Griechische Regierung will flexible Bedingungen für längere Finanzhilfe - Sondertreffen der Minister der Eurozone.


Brüssel/Athen. Gerade einmal zwei Seiten umfasst das Schreiben. Dennoch hat sich die griechische Regierung für das Verfassen des Briefes Zeit genommen, hat sich von den Partnern aus der Eurozone tagelang bitten, auffordern und drängen lassen. Nun hat Athen den Antrag auf eine sechsmonatige Verlängerung der Kredithilfen seiner internationalen Gläubiger gestellt.

Dass eine Streckung des sonst Ende des Monats auslaufenden Programms die den meisten Erfolg versprechende Variante zur Entschärfung des Schuldenstreits sei, haben EU-Beamte in den vergangenen Tagen immer wieder betont. Die Bedingungen dafür sorgen aber weiterhin für heftigen Zwist zwischen Griechenland und den anderen 18 Mitgliedern der Währungsgemeinschaft. Das zähe Ringen wird in das Wochenende hineingehen, da der Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, für den heutigen Freitagnachmittag kurzfristig ein Sondertreffen der zuständigen Minister angesetzt hat.

Kaum war nämlich der Brief da, gab es schon Widerspruch. Das Schreiben von Finanzminister Yanis Varoufakis an Dijsselbloem enthalte keinen "substanziellen Lösungsvorschlag", hieß es aus dem deutschen Finanzressort. Athen wünsche sich eine Brückenfinanzierung, ohne die Reformvorgaben dafür erfüllen zu wollen. In einem internen Papier aus Berlin zur Vorbereitung des Eurogruppen-Treffens hieß es gar, der griechische Antrag sei ein "Trojanisches Pferd".

Dennoch enthält der Antrag der Griechen einige Zusagen, die die bisherige harsche Ablehnung der Sparauflagen zumindest relativieren. So erkenne Athen die "finanziellen und prozeduralen Inhalte" des Hilfsprogramms an und akzeptiere die finanziellen Verpflichtungen gegenüber allen Gläubigern. Außerdem wird eine Zusammenarbeit mit EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) sowie Internationalem Währungsfonds (IWF) angekündigt - nur wird das Gremium aus deren Vertretern nicht mehr wie jahrelang zuvor "Troika" genannt. Dieser Begriff ist nämlich zum Symbol für unerbittliche wie fantasielose Kontrolle der Reformbemühungen geworden, deren soziale Kosten aus Sicht der linken Regierung in Athen viel zu wenig berücksichtigt worden waren.

Spielraum fürs Budget

Daher erklärt sich Athen nicht nur bereit, beim Ziel der Steuer- und Finanzstabilität zu kooperieren, sondern knüpft die "weitreichenden Reformen" an die Notwendigkeit, "den Lebensstandard von Millionen griechischer Bürger durch nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt wiederherzustellen". Das wäre aber nur bei einer flexiblen Auslegung der Vorgaben der Finanzpartner möglich - und auf diesen Spielraum pocht Griechenland. So will die Regierung lediglich einen "angemessenen" Budgetüberschuss erwirtschaften müssen, der unter den geforderten drei Prozent heuer und 4,5 Prozent im kommenden Jahr liegen würde. Außerdem hätte es gern eine Verlängerung der Anleihen aus dem Euro-Hilfsmechanismus EFSF, der bei der Bankenstabilisierung helfen soll. Der Ruf nach Schuldenerleichterungen bleibt ebenfalls aktuell.

Ob sich die internationalen Geldgeber darauf einlassen und die noch fälligen Kredittranchen nach Athen überweisen, ist noch offen. Bis jetzt haben sie 240 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Doch in den kommenden sechs Monaten stehen Rückzahlungen in Milliardenhöhe sowohl an den IWF als auch die EZB an. Die Zentralbank bewilligte jedoch ELA-Notfall-Hilfen in Höhe von rund 68 Milliarden Euro, die die Athener Notenbank den griechischen Instituten gewähren darf.

Wenig Verständnis

Die Gefahr eines Staatsbankrotts droht dennoch, falls sich Griechenland nicht mit den Euro-Partnern auf eine Verlängerung des Hilfsprogramms einigen kann. Daher betonen die meisten Akteure nun ihren Willen dazu, rasch einen Kompromiss zu finden. Der IWF etwa deklarierte, mit allen Beteiligten daran zu arbeiten, die Risiken für das Finanzsystem zu minimieren. "Alle bemühen sich nach Kräften, um das sicherzustellen", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Sprecher des Währungsfonds. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich optimistisch: Der Antrag Griechenlands sei ein positives Signal, ließ er ausrichten.

Doch die entscheidenden Beschlüsse fallen in der Runde der Finanzminister der Eurozone. Und es ist keineswegs nur Deutschland, das Athen zur Erfüllung seiner Verpflichtungen auffordert. Auch Spanien und Portugal drängen auf Reformen, die sie selbst ihren Bürgern auferlegen mussten. Wenig Verständnis für die griechischen Wünsche nach einem Schuldenerlass beispielsweise haben ebenso baltische Staaten. Lettland etwa hat ein rigides Sparprogramm umgesetzt - und mittlerweile seine Schulden so gut wie abbezahlt. Wie Litauen und Estland ist es bereits Mitglied der Währungsgemeinschaft und entscheidet über den Antrag Athens mit. Dessen Billigung muss einstimmig erfolgen.

EZB-Protokoll veröffentlicht

Unterdessen hat die EZB in Frankfurt erstmals in ihrer Geschichte eine Mitschrift der Ratssitzung veröffentlicht - jene vom 22. Jänner; bisher lagen die Protokolle 30 Jahre unter Verschluss. Demnach hat der Rat der Notenbank mit großer Mehrheit das zuletzt beschlossene Anleihenkaufprogramm im Wert von 60 Milliarden Euro pro Monat verabschiedet. Es sei während der Sitzung eine "breit geteilte" Einschätzung gewesen, dass die bisherigen Maßnahmen im Kampf gegen die zu niedrige Inflation nicht ausreichten, hieß es. Gegen den Beschluss hatten unter anderem Österreichs Nationalbankchef Ewald Nowotny sowie der deutsche Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gestimmt. Die Gegner des 1,1 Billionen Euro teuren Beschlusses verwiesen darauf, dass die gefallenen Ölpreise maßgeblich zum jüngsten Rückgang der Verbraucherpreise beigetragen hätten - dies dürfe aber das Wachstum und auch bald wieder die Inflation anschieben.