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Im Schuldenstreit mit Griechenland "steht es achtzehn zu eins"

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Im Ringen um einen finanziellen und politischen Kompromiss mit der Regierung | in Athen zeigten die Mitglieder der Eurozone selten gesehene Einigkeit.


Brüssel. Wie die Arbeitswoche in Brüssel begann, so hörte sie auf. Die Finanzminister der Eurozone waren in die belgische Hauptstadt gereist, um nach einer Lösung im Schuldenstreit mit Griechenland zu suchen. Dazwischen gab es harsche Wortgefechte zwischen Athen und Berlin, wachsende Ungeduld unter den Europartnern samt Aufforderung, die Griechen mögen endlich deklarieren, wie sie weiter vorgehen möchten sowie einen Brief, der so manchen enttäuschte. Denn die neue Regierung in Athen hat zwar eine Verlängerung des in einer Woche auslaufenden Hilfsprogramms beantragt, doch ihre Zusagen zu Reformen sind nur vage. Zu vage, fand etwa der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und wies auf den Ernst der Lage hin: "Es geht nicht nur um eines der Länder", sagte er. "Es geht um Europa." Das Vertrauen der Menschen in die Verlässlichkeit der Gemeinschaft dürfe nicht zerstört werden. Immer wieder hat Berlin betont, dass Athen die Verpflichtungen, die es gegenüber den internationalen Kreditgebern eingegangen ist, erfüllen müsse. Die Partner haben dem vom Staatsbankrott bedrohten Land Finanzhilfen in der Höhe von rund 240 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

Doch ist es nicht nur Deutschland, das auf die Umsetzung der vereinbarten Spar- und Reformpläne pocht. Portugal und Spanien, aber auch etliche osteuropäische Staaten drängen auf die Haushaltsdisziplin, mit der sie selbst ihre Bürger konfrontieren mussten. Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling sprach gar von einer "geschlossenen Front" unter den 19 Mitgliedern der Währungsgemeinschaft: Es stehe achtzehn zu eins - "und dabei bleiben wir".

Dass sich das eine Land überhaupt aus der Eurozone verabschiedet, wird offiziell noch immer als Szenario angesehen, das es zu verhindern gilt. Griechenland allerdings machte es zuletzt seinen Partnern schwer, den Zusagen aus Athen ohne Vorbehalte Glauben zu schenken. Auch aus dem Brief, den Finanzminister Yanis Varoufakis an den Vorsitzenden der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, geschickt hatte, gehen nur wenige konkrete Verpflichtungen hervor. Diese "Interpretationsspielräume" auszuräumen, wie es Schelling formulierte, war das Ziel des Minister-Sondertreffens, das Dijsselbloem kurzfristig einberufen hatte. Der Beginn der Sitzung wurde noch am späteren Nachmittag mehrmals verschoben; bis in die Nacht auf Samstag rangen die Politiker um einen Kompromiss. In der Zwischenzeit machten Gerüchte die Runde, dass sich gar die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Sondergipfel in der kommenden Woche mit den griechischen Finanznöten befassen könnten.

Die Zeit für Athen wird nämlich äußerst knapp. Ohne Einigung droht dem Land die Pleite: Schon Ende März könnte dem Staat das Geld ausgehen und er wird Milliarden-Euro-Kredite nicht mehr bedienen können. Darauf müsste dann auch die Europäische Zentralbank (EZB) reagieren und den griechischen Instituten die Notfallhilfen ihrer Notenbank in Athen entziehen. Mit Kapitalflucht haben die Häuser jetzt schon zu kämpfen: Seit Wochen heben die Menschen aus Angst vor einer Verschlechterung der Finanzlage hohe Summen von ihren Konten ab. Laut griechischen Medienberichten wurden allein in den vergangenen Tagen mehr als zwei Milliarden Euro abgehoben.

Kontrolle im Kapitalverkehr?

Trotz anderslautender Deklarationen aus der EZB gab es nämlich nicht zuletzt die Sorge, dass Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden könnten, so wie es im Jahr 2013 über ein Wochenende in Zypern geschehen ist. Um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern, können solche Einschränkungen sowohl nach außen als auch nach innen gelten. Das würde dann Überweisungen ins Ausland betreffen sowie den Zugang zu Konten im Inland.

Der Druck auf Athen, doch noch eine Verständigung mit den anderen Staaten zu finden, war zuletzt ebenfalls nach der Bekanntgabe der aktuellen Wirtschaftsdaten gestiegen. Zwar ist die griechische Wirtschaft nach sechs Jahren der Rezession 2014 erstmals wieder gewachsen. Doch gab es zum Ende des Jahres einen Dämpfer: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im letzten Quartal um 0,2 Prozent, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf das griechische Statistikamt Elsat.

Die Rate für das gesamte Jahr betrug 1,7 Prozent - das ist unter den Erwartungen der EU-Kommission, deren Prognosen sich auch im laufenden Jahr als allzu optimistisch erweisen könnten. Die Schätzung von 2,5 Prozent liegt nämlich unter den griechischen Voraussagen. Der Finanzbedarf der Regierung in Athen könnte damit wachsen - und damit auch die Kosten für eine Rettung Griechenlands.