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In die Verlängerung gerettet

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Für das internationale Hilfsprogramm erhält Griechenland vier Monate mehr Zeit - Eurogruppe erwartet bis Montag Reformzusagen - Rekapitalisierung der Banken zunächst gesichert.


Brüssel. Drei Stunden Vorgespräche in kleinem Kreis, Beginn des Sondertreffens gleich mehrmals verschoben, Spekulationen über einen Abbruch der Verhandlungen - und dann überraschend schnell noch vor neun Uhr Freitagabends die Meldung über eine Einigung: Die Sitzung der Finanzminister der Eurozone, die dritte innerhalb von zehn Tagen, brachte eine Verständigung im Schuldenstreit mit Griechenland. Und dafür brauchten die Politiker nicht einmal die ganze Nacht, wie im Vorfeld spekuliert wurde.

Wie von der Regierung in Athen erhofft, wird das ansonsten in einer Woche auslaufende Hilfsprogramm der internationalen Kreditgeber noch einmal verlängert, wenn auch nicht um die gewünschten sechs Monate. Stattdessen soll es vier Monate mehr Zeit geben. Bis Montagabend sollen die Griechen nun eine Liste mit konkreten Reformvorschlägen liefern, über die das Gremium aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) entscheiden soll. Wenn die Institutionen, deren Bezeichnung als Troika die linke Regierung von Alexis Tsipras ablehnt, die Pläne akzeptieren, können die Minister der Eurogruppe gleich am Dienstag ihre Zustimmung geben.

Das würde dem griechischen Staat und den dortigen Geldhäusern noch etwas Spielraum verschaffen. Denn wenn Milliarden-Euro-Kredite nicht mehr bedient werden könnten, müsste auch die EZB reagieren und den griechischen Instituten die Notfallhilfen ihrer Notenbank in Athen entziehen. Bis jetzt bewilligte die Zentralbank solche Hilfen in Höhe von rund 68 Milliarden Euro.

Außerdem sollen weiterhin die noch fälligen knapp zwei Milliarden Euro an Anleihen aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF zur Verfügung stehen, die zur Rekapitalisierung der Banken verwendet werden können. Dafür gibt es auch noch andere Quellen: Über den so genannten Hellenischen Finanzmarkt-Stabilisierungsfonds (HFSF) hatten die Europartner Mittel in Höhe von rund 48 Milliarden Euro bereitgestellt. Davon sind noch knapp elf Milliarden Euro übrig.

Doch war die Euphorie nach der Einigung eine gedämpfte. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kommentierte: "Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität." Der Vorsitzende der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, verwies darauf, dass bis Ende April noch die Details der Vorgaben für Griechenland fixiert werden müssen. Dafür präsentierte sich dessen Finanzminister Yanis Varoufakis siegessicher: Die Griechen seien nun Co-Autoren ihres Schicksals, verkündete er.

Achtzehn zu eins - und für beide Seiten ein riskantes Spiel

Damit hörte die Arbeitswoche in Brüssel auf, wie sie begonnen hatte: mit einer turbulenten Ministersitzung. In den Tagen zuvor gab es harsche Wortgefechte zwischen Athen und Berlin, wachsende Ungeduld unter den Europartnern samt Aufforderung, die Griechen mögen endlich deklarieren, wie sie weiter vorgehen möchten sowie einen Brief, der so manchen enttäuschte. Denn die neue Regierung in Athen hat zwar eine Verlängerung des Hilfsprogramms beantragt, doch ihre Zusagen zu Reformen waren nur vage. Zu vage, fand etwa Schäuble und wies auf den Ernst der Lage hin: "Es geht nicht nur um eines der Länder", sagte er noch vor dem Treffen. "Es geht um Europa." Das Vertrauen der Menschen in die Verlässlichkeit der Gemeinschaft dürfe nicht zerstört werden. Immer wieder hat Berlin betont, dass Athen die Verpflichtungen gegenüber den internationalen Kreditgebern erfüllen müsse. Die Partner haben dem vom Staatsbankrott bedrohten Land Finanzhilfen in der Höhe von rund 240 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

Doch war es nicht nur Deutschland, das auf die Umsetzung der vereinbarten Spar- und Reformpläne pochte. Portugal und Spanien, aber auch etliche osteuropäische Staaten drängten auf die Haushaltsdisziplin, mit der sie selbst ihre Bürger konfrontieren mussten. Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling sprach gar von einer "geschlossenen Front" unter den 19 Mitgliedern der Währungsgemeinschaft: Es stehe achtzehn zu eins.

Gleichzeitig stand für beide Seiten viel auf dem Spiel. Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone sollte vermieden werden, aber die Zeit für Athen wurde knapp. Ohne weitere Unterstützung wäre dem Staat wohl schon Ende März das Geld ausgegangen und Milliarden-Euro-Kredite hätten nicht mehr bedient werden können. Mit Kapitalflucht haben die Häuser jetzt schon zu kämpfen: Seit Wochen heben die Menschen aus Angst vor einer Verschlechterung der Finanzlage hohe Summen von ihren Konten ab. Laut griechischen Medienberichten wurden allein in den vergangenen Tagen mehr als zwei Milliarden Euro abgehoben.

Auch die Bekanntgabe der aktuellen Wirtschaftsdaten lieferte einen Anlass zu Sorgen. Zwar ist die griechische Wirtschaft nach sechs Jahren der Rezession 2014 erstmals wieder gewachsen. Doch gab es zum Ende des Jahres einen Dämpfer: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im letzten Quartal um 0,2 Prozent, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf das griechische Statistikamt Elsat. Die Rate für das gesamte Jahr betrug 1,7 Prozent - das ist unter den Erwartungen der EU-Kommission, deren Prognosen sich auch im laufenden Jahr als allzu optimistisch erweisen könnten. Die Schätzung von 2,5 Prozent liegt nämlich unter den griechischen Voraussagen. Der Finanzbedarf der Regierung in Athen könnte daher wachsen. Damit würden auch die Kosten für eine Rettung Griechenlands steigen.