Kiew. (apa/reuters/afp/dpa) Der norwegische Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wiegelt ab: Das Minsker Waffenstillstandsabkommen zwischen Russland und der Ukraine sei nicht aufgekündigt. Die Waffenruhe werde unterm Strich eingehalten, erklärte er am Dienstag in Brüssel.
Die Konfliktparteien sehen das freilich anders: Das ukrainische Militär etwa wirft den prorussischen Aufständischen die massive Verletzung des vor zwei Wochen in Minsk vereinbarten Waffenstillstands vor und beklagt die schwersten Angriffe seit Tagen. In den vergangenen 24 Stunden seien drei Soldaten getötet worden, sagte ein ukrainischer Armee-Sprecher. Seit Montagnachmittag werde eine Intensivierung der Truppenbewegungen der Separatisten beobachtet. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin forderte während eines Besuchs in Japan erneut die Rückgabe der von Russland annektierten Krim. Nur dann könnten sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern normalisieren.
Größere Rolle für die OSZE
Zudem sei eine vollständige Schließung der Grenze zu Russland nötig, um den bewaffneten Konflikt mit prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine endgültig beilegen zu können, sagte Klimkin.
Die OSZE-Beobachter sollen nach einer Vereinbarung zwischen dem russischen Staatschef Wladimir Putin, dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande eine wichtigere Rolle spielen. An den Orten häufiger Verstöße gegen das Waffenstillstandsabkommen in der Ostukraine könnten demnach gezielt Beobachter der OSZE eingesetzt werden. Dabei geht es zunächst um zehn Ortschaften in den Regionen Donezk und Lugansk, teilte die Präsidentschaftskanzlei in Kiew am Dienstag mit.
Gleichzeitig kämpft die ukrainische Zentralbank mit einer drastischen Zinserhöhung gegen den Absturz der Landeswährung Hryvnia. Der Leitzins werde von 19,5 auf 30 Prozent angehoben, kündigte das Institut am Dienstag in Kiew an. Zentralbank-Chefin Walerija Gontarewa begründete den Schritt "mit der stark gestiegenen Inflationsgefahr wegen der negativen Folgen der Panik am Devisenmarkt".
Weitere Bankenpleite
Gleichzeitig erklärte die Zentralbank das viertgrößte Kreditinstitut des Landes, die Delta Bank, für pleite. Grund dafür sei deren Unvermögen gewesen, "rasche, effektive und wirksame Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Finanzen" einzuleiten. Delta habe riskante Geschäfte gemacht, sagte Gontarewa. "Die Bank hat sich entschieden, Unternehmenskredite zu vergeben, obwohl sie unglücklicherweise nicht genügend Expertise in diesem Bereich hatte."
94 Prozent der Kontoinhaber sollten ihr gesamtes Guthaben zurückbekommen, erklärte die Zentralbank, die für eine Summe von bis 200.000 Hryvnia garantiert. Die Zentralbank hatte im vergangenen Jahr 30 Kreditinstitute dichtgemacht. Seit Jahresbeginn kamen weitere zehn hinzu. Viele Geldhäuser waren bereits während der Finanzkrise 2008/09 angeschlagen.