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"Je mehr österreichische Soldaten in Afrika, desto besser"

Von Alexander U. Mathé

Politik
Die Krim wurde annektiert, aber zu welchem Preis? - Botschafter Teixera da Silva im Interview mit der "Wiener Zeitung".
© Stanislav Jenis

Frankreichs Botschafter in Österreich, Pascal Teixeira da Silva, spricht über die Finanztransaktionssteuer, die Bekämpfung des Dschihadismus und den Konflikt in der Ukraine.


"Wiener Zeitung": In der EU gibt es einen neuen Anlauf für eine Finanztransaktionssteuer. Es ist aber umstritten, welche Finanzprodukte betroffen sein sollen und wie hoch die Steuersätze sein sollen. Wie sehen Sie die Position Österreichs?

Pascal Teixeira da Silva: Es gibt elf EU-Länder, die die Finanztransaktionssteuer einführen wollen. Jedes Land hat freilich seine eigenen Interessen und will seine Banken und seinen Finanzmarkt schützen. Daher gibt es auch keine einheitliche Vision. Die Finanzminister Österreichs und Frankreichs haben im Jänner in einem gemeinsamen Brief an die anderen EU-Minister die Initiative ergriffen, um diesem Prozess neuen Schwung zu verleihen. Ich glaube, dass alle elf Länder fest entschlossen sind, eine Lösung zu finden, die für alle akzeptabel ist.

Es ist ein Treffen zwischen dem französischen Innenminister und seiner österreichischen Amtskollegin geplant. Welche gemeinsamen Projekte gibt es auf dem Gebiet der Sicherheitskooperation?

Wir müssen auf europäischer Ebene bei der Bekämpfung des Dschihadismus und des Terrorismus besser zusammenarbeiten. Österreich war im eigenen Land glücklicherweise noch nie direkt betroffen, wie Frankreich oder Dänemark. Aber Österreich hat mit dem Phänomen der "foreign fighters" zu kämpfen, den Dschihadisten, die aus Österreich und anderen europäischen Ländern nach Syrien und in den Irak gefahren sind, um sich IS anzuschließen. Es gibt mehr als 100 Dschihadisten, die aus Österreich nach Syrien und den Irak gegangen sind. In Frankreich gibt es 1300. Die stellen eine potenzielle Bedrohung für die Sicherheit unserer Länder dar. Der Kampf gegen die Radikalisierung ist problematisch. Damit zusammen hängt auch die Integrationspolitik. Wir haben einen Ausländeranteil an der Bevölkerung um die zehn Prozent und wir erleben in Europa eine Zunahme an illegaler Einwanderung. Die Integration dieser Ausländer erfolgt nicht immer sehr gut und das kann ein Nährboden für die Radikalisierung sein.

Was kann man auf dem Gebiet von Frankreich lernen, immerhin hat das Land hier ja schon länger Erfahrung?

Frankreich ist im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein Immigrationsland. Die Immigration ist nicht immer glücklich verlaufen und es hat immer Probleme gegeben. Verschiedene Faktoren machen die Situation aber jetzt schwieriger. Da wäre einmal die wirtschaftliche Situation. Wenn es Arbeitslosigkeit gibt, ist es schwieriger, Ausländer schnell und gut zu integrieren. Dann: Je fremder die Kultur der Immigranten, desto schwieriger ist es, sie zu integrieren. Solange die Migranten aus katholischen südeuropäischen Ländern stammten, war es einfacher, als bei Leuten mit einem anderen kulturellen und religiösen Hintergrund. Auch die Politisierung des Themas macht die Integration schwerer. Es gibt ja politische Parteien, für die das das wichtigste Thema ist und die davon profitieren.

Österreich und Frankreich arbeiten unter anderen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik zusammen, wohin Österreich Soldaten geschickt hat. Derzeit sind es nicht einmal je zehn Mann. Reicht das, oder könnten es mehr sein?

Es kommen ja noch welche dazu. Es werden, glaube ich, 20 sein. Aber natürlich: je mehr, desto besser. Das sage ich nicht nur unseren österreichischen Freunden, sondern allen Partnern. Die Sahara-Sahel-Region, mit Ländern wie Mali, Libyen und Nigeria, wird von dschihadistischen Gruppen bedroht. Daher hat Frankreich 2013 die Entscheidung getroffen, Streitkräfte zu entsenden, um die Gruppen zu stoppen, die sonst ganz Mali erobert hätten. Man weiß ja, wie brutal und grausam die sind. Jetzt zwei Jahre später ist die Situation besser und es gibt dort eine demokratische Macht. Mittelfristig kann es keine militärische Lösung ohne eine politische Lösung geben.

Und der Rest der Region?

Die Probleme in Libyen sind nicht gelöst. Da herrscht totales Chaos. In Nigeria stellt Boko Haram eine große Bedrohung dar, ebenso im Tschad, in Niger und Kamerun. Frankreich unterstützt mit der 3000 Mann starken Operation Barkhane lokale Streitkräfte in der ganzen Region. Es ist wichtig sich dort zu engagieren. Wie man an Irak und Syrien sieht, locken Dschihadisten Möchtegern-Dschihadisten aus Europa an die Kampfplätze. Gleichzeitig werden immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen, wenn diese Region unstabil bleibt. Die kommen dann nach Europa. Wir wissen aber, dass eine unkontrollierte Auswanderung viele soziale und politische Probleme auslöst. Mehr Immigranten bedeuten eine Verschärfung der politischen Lage in manchen Ländern. Die beste Lösung ist es, den Ländern in der Region zu helfen: militärisch, aber auch wirtschaftlich. Frankreich hat seit vielen Jahren diese Verantwortung übernommen, kann aber all diese Probleme nicht allein lösen.

Welche Strategien gibt es für die Ukraine und Russland?

Seit dem Ausbruch dieser Krise hat unsere Politik aus zwei Elementen bestanden: Beharrlichkeit und Dialog. Beharrlichkeit, was die Prinzipien betrifft. Erstens soll man die demokratische Wahl des ukrainischen Volks akzeptieren und des Völkerrechts akzeptieren. Der Anschluss der Krim ist rechtswidrig. Wir wissen, dass es keine militärische Lösung zu dieser Krise gibt, daher hat man sich bemüht, eine politische zu finden. Wir wissen nicht genau, was Russland auf lange Sicht will, aber wir brauchen normalisierte Beziehungen. Nicht nur, weil das gut ist für die Wirtschaft Europas und Russlands, sondern weil wir auch eine Zusammenarbeit für die Lösung internationale Probleme brauchen, wie den Nahen Osten oder den Kampf gegen Dschihadismus.

Ist Europa nicht machtlos? Südossetien, Krim: Immer, wenn Moskau russische Interessen schützen wollte, hat es nicht vor militärischen Aktionen davor zurückgeschreckt.

Vielleicht ist es zu früh für so eine Schlussfolgerung. Wir sind noch nicht am Ende der Geschichte, wer gewinnt und wer verliert. Wenn man sich die Probleme ansieht, mit denen Russland konfrontiert ist, wie die Senkung des Ölpreises, Abwertung des Rubels, Kapitalflucht, Inflation, negative Wachstumszahlen, so ist das ein Erfolg. Und was die Krim betrifft: Ja, die wurde annektiert, aber zu welchem Preis? Das wird viel Geld kosten und vielleicht wird das russische Volk sich dessen auch bewusst werden.

Pascal Teixeira da Silva, geboren am 2. Oktober 1957, ist Frankreichs Botschafter in Österreich. Er hat Rechtswissenschaften studiert und ist Absolvent des Institut d’études politiques in Bordeaux sowie der Ecole Nationale d’Administration.