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Gemeinsam gegen die Abhängigkeit

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Staats- und Regierungschefs debattieren Möglichkeiten, mehr Eigenständigkeit bei der Energieversorgung zu erlangen.


Brüssel. Donald Tusk müsste das Projekt ein besonderes Anliegen sein. Schon vor einem Jahr hat der damalige Premier Polens für die Idee einer Energieunion geworben. Nun hat die EU-Kommission ihre Vorschläge dazu ausgearbeitet. Und der Debatte seiner ehemaligen Amtskollegen darüber sitzt Tusk als Ratspräsident vor: Das Vorhaben ist einer der Schwerpunkte des zweitägigen Gipfeltreffens, zu dem die Staats- und Regierungschefs der Union am heutigen Donnerstag zusammenkommen.

Die geplante Energieunion soll die Gemeinschaft unabhängiger von Importen machen, die im Vorjahr immerhin die Hälfte des Bedarfs der Europäer deckten. An die 400 Milliarden Euro gab die EU dafür aus. Einiges davon würde sie sich sparen, wenn der Binnenmarkt gestärkt, die Infrastruktur verbessert und die eigenen Ressourcen besser genutzt würden. Allerdings wären dafür in den kommenden fünf Jahren Investitionen in Höhe von mehr als einer Billiarde Euro nötig, schätzt die Kommission.

Die Behörde ruft aber nicht nur zu mehr Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten auf, sondern schlägt auch neue Partnerschaften mit Produktions- und Transitländern wie Algerien oder der Türkei vor. Energieeffizienz und die Förderung erneuerbarer Energien sollen die Versorgungssicherheit erhöhen. Ebenfalls plädiert die Kommission für verstärkte Transparenz auf den Gasmärkten.

Gemeinsamer Einkauf?

Das stößt bei den Ländern nicht auf unumschränkte Sympathie. So hätte die Behörde gern eine größere Rolle bei Verhandlungen um Gasverträge - sowohl zwischen Staaten als auch zwischen Unternehmen. Bisher kann sie erst nach Abschluss eines Abkommens prüfen, ob dieses mit EU-Gesetzen vereinbar ist. Künftig möchte sie schon während der Gespräche eingeschaltet sein.

Umstritten wie dieser Vorschlag ist auch die Idee, einheitliche Preise bei Gaseinkäufen festzulegen. Dem schon von Polen lancierten Plan, eine gemeinsame Börse einzurichten, war bisher wenig Erfolg beschieden. Gering ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Regierungen nun rasch auf die Schaffung von Einkaufs-Gemeinschaften verständigen. Diese sollen jedenfalls nicht verpflichtend sein, wie aus einem Entwurf für das Schlussdokument des EU-Gipfels hervorgeht. Vielmehr sollen die Möglichkeiten für "freiwillige Mechanismen für einen Zusammenschluss bei der Nachfrage" geprüft werden. Sie müssen aber im Einklang mit den Regeln der EU und der Welthandelsgemeinschaft WTO stehen. Und die Vertraulichkeit heikler kommerzieller Informationen sei zu gewährleisten.

Die Bemühungen der Europäer um mehr Eigenständigkeit bei der Energieversorgung sind zwar nicht neu. Doch der Konflikt um die Ukraine und die politische Krise mit dem wichtigen Gaslieferanten Russland hat den Versuchen noch mehr Brisanz verliehen. Die Diskussion um einen Friedensplan für die Ostukraine sowie um Sanktionen gegen den Kreml stehen daher ebenfalls auf der Agenda des Gipfeltreffens.

Ein Beschluss zur Verschärfung der Strafmaßnahmen zeichnet sich jedoch nicht ab - wahrscheinlicher ist deren Verlängerung bis Ende des Jahres. Eine Lockerung wiederum möchte die EU an die Umsetzung der Friedensvereinbarung knüpfen, die in der weißrussischen Hauptstadt Minsk getroffen wurde.