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Hollande eint die Franzosen - gegen sich

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik
Steht nach drei Jahren allein gegenalle: François Hollande.ap

Analyse: Drei Jahre nach seiner Wahl zum Präsidenten fällt die Bilanz enttäuschend aus.


Paris. Es scheint längst vergessen oder zumindest sehr lange her - doch François Hollandes Wahl zum Präsidenten vor drei Jahren vollzog sich in einer Stimmung der Euphorie. Zwar ergriff sie nicht ganz Frankreich, aber zumindest die 51,46 Prozent der Wähler, die in der zweiten Runde am 6. Mai 2012 für ihn gestimmt hatten - auch wenn es sich bei vielen mehr um ein Votum gegen den bisherigen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy handelte als um echte Zustimmung für den uncharismatischen Hollande.

Doch dieser fand am Abend seines Triumphs verheißungsvolle Worte. "Kein Kind der Republik wird abseits gelassen, vergessen, diskriminiert", verkündete er vor tausenden jubelnden Anhängern auf dem Bastille-Platz in Paris. Große Versprechen gab der Sozialist ab: Das verunsicherte Land werde er einen und stärken, eine echte Perspektive für die Jugend und die vielen Arbeitslosen schaffen: "Ich liebe mein Land, ich liebe die Franzosen und möchte, dass zwischen uns eine Vertrauensbeziehung entsteht."

Drei Jahre später scheint das misslungen. Mehr als vier von fünf Franzosen bewerten Hollandes Bilanz negativ. Kein Präsident vor ihm war unbeliebter, seine Sozialisten kassierten seit 2012 nur Wahl-Niederlagen. Zwar hatte er viele Probleme vom Defizit über die hohe Arbeitslosigkeit bis zur immensen Staatsverschuldung von seinen Vorgängern geerbt. Fortan aber bestimmten sie seine Amtszeit. Die Aufbruchstimmung währte nur kurz, schon nach wenigen Monaten schlug sie um in Verdrossenheit, weil sich viele Versprechen als nicht umsetzbar erwiesen.

Ungeliebte Steuererhöhung

Mehr Gerechtigkeit hatte der Sozialist angekündigt - aber dass die Steuern für einen großen Teil der Bevölkerung stark stiegen, empfand diese als unfair. Er wollte die europäischen Verträge "neu verhandeln", um Europas Kurs weg von einer allzu strikten Sparpolitik und hin zu mehr Ankurbelung des Wachstums mittels Investitionen zu lenken - und musste sich Angela Merkels schroffer Antwort beugen, man könne nicht nach jedem Regierungswechsel alles neu aushandeln. Im Gegensatz zur von Affären begleiteten Regierungszeit Sarkozys sorge er für eine "untadelige" Republik, hatte Hollande versichert - doch auf den Skandal um Budgetminister Jérôme Cahuzac, der sein illegales Konto in der Schweiz verheimlicht hatte, folgten weitere. Und wollte Hollande mit der Einführung der Homo-Ehe ein Zeichen für eine offenere Gesellschaft setzen, so spaltete das Gesetz Frankreich wie lange keines mehr und brachte die Gegner monatelang auf die Straße.

Zudem scheiterte der Präsident mit dem Versprechen, anders als sein Vorgänger die Franzosen nicht mit seinem Privatleben zu behelligen. Zuerst unterstützte die eifersüchtige First Lady Valérie Trierweiler im Parlamentswahlkampf ausgerechnet den Rivalen von Hollandes Ex-Partnerin Ségolène Royal öffentlich. Später rächte sie sich mit einem Buch voller intimer Details für die Trennung, nachdem seine Affäre mit der Schauspielerin Julie Gayet herauskam - durch Paparazzi-Fotos, die ihn auf dem Roller zeigten, unterwegs zum heimlichen Liebesnest. Eine Peinlichkeit.

Steigende Arbeitslosigkeit

Doch am meisten enttäuscht hat der Präsident durch das Scheitern seines Versprechens, endlich die Arbeitslosigkeit zu senken, die bei über zehn Prozent liegt und kontinuierlich steigt. Die Opposition wirft ihm vor, das Ausmaß der Wirtschaftskrise unterschätzt und keine klare Strategie für ihren Ausweg zu haben. Als sich Hollande an der Seite seines umtriebigen Premierministers Manuel Valls schließlich zu einem wirtschaftsfreundlichen Kurs entschloss, um die Unternehmen zu entlasten und zu Stellenschaffungen anzureizen, blockierte der linke Flügel seiner Partei die moderate Reformpolitik.

Allein ein Liberalisierungsgesetz, das unter anderem eine leichte Lockerung der Ladenöffnungszeiten vorsieht und das er selbst "nicht die Reform des Jahrhunderts" nannte, musste am Parlament vorbei durchgedrückt werden. Nachdem die Sozialisten tief gespalten sind und die Grünen die Regierung aus Protest gegen eine wenig ambitionierte Umweltpolitik wieder verlassen haben, fehlt eine linke Mehrheit. Das deutet an, was sich von den zwei verbleibenden Jahren unter Hollande erwarten lässt: recht wenig. Er hofft auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, erste positive Signale für eine Aufhellung gibt es. Sie könnten ihm Luft verschaffen.

Doch das Vertrauen ist weg, auch wenn nicht alles misslungen ist. Die schnelle Entscheidung für einen Militäreinsatz in Mali Anfang 2013 wurde allgemein begrüßt. Das gilt auch für sein besonnenes Krisenmanagement nach den islamistischen Terroranschlägen im Jänner. Doch längst wird spekuliert, ob der 60-jährige Präsident bei der nächsten Wahl 2017 überhaupt erneut antreten wird. Denn derzeitigen Umfragen zufolge würde er dabei nicht einmal die Stichwahl erreichen.