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Brüssel beschließt Mission gegen Schlepperbanden

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Außen- und Verteidigungsminister bekräftigen Pläne zur Überwachung von Menschenhändler-Routen im Mittelmeer und zur möglichen Zerstörung von Schlepperbooten.


Brüssel. Auf die Quotendebatte folgte die Diskussion um die Zerstörung von Schlepperschiffen: In ihrem Bemühen, Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingsnot zu ergreifen, kommt die EU nur langsam voran. Für Zwist sorgte schon in der Vorwoche der Vorschlag der EU-Kommission, 20.000 Asylwerber in der Union nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel umzusiedeln. Und das Vorhaben, im Mittelmeer Boote von Menschenhändlern aufzuspüren und zu versenken, lässt ebenfalls noch etliche politische, rechtliche und technische Fragen offen.

Die Außen- und Verteidigungsminister konnten bei ihrem Treffen in Brüssel nur dem Konzept selbst zustimmen, weil an bestimmte Punkte auch noch das Einverständnis der Vereinten Nationen geknüpft ist. Die wenigsten Probleme wird der EU daher die erste Phase des Plans bereiten, die die Europäer allein starten können. Dabei wollen sich die Mitgliedstaaten zunächst einmal einen besseren Überblick über die Lage vor der libyschen Küste, über die Netzwerke der Menschenschlepper und deren Routen verschaffen. Das hoffen sie mit verstärkter Aufklärung zu erreichen: Satellitenbilder sollen dabei ebenso helfen wie Informationen, die Radaraufnahmen von Kriegsschiffen liefern. Das Hauptquartier für die Überwachung soll in Italien eingerichtet werden. Bereits im Juni könnte die EU mit der Umsetzung beginnen.

Ihre Bereitschaft zu verstärktem Einsatz der Marine im Mittelmeer haben schon mehrere Länder bekundet, nachdem die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel vor einem knappen Monat über Maßnahmen zur Vermeidung von Flüchtlingstragödien bei der Überfahrt nach Europa beraten haben. So bot Deutschland an, zwei Kriegsschiffe zur Rettung aus Seenot zu entsenden. Großbritannien und Frankreich haben die Verlegung ihrer Schiffe ebenfalls in Aussicht gestellt.

Ringen um UN-Mandat

Doch schon die zweite Phase des Vorhabens könnte schwieriger werden. Damit das Militär nämlich Flüchtlingsboote in internationalen Gewässern aufbringen, die Menschen an Bord nehmen und die Boote dann zerstören darf, braucht es wohl eine Resolution des UN-Sicherheitsrates oder eine Einwilligung der libyschen Behörden. Zwar könnte ein Schlepperschiff, das unter keiner Länderflagge schwimmt, nach Einschätzung der Union auch ohne UN-Mandat beschlagnahmt werden. In libyschen Gewässern bräuchte es dafür aber zumindest die Zustimmung der dortigen Behörden. Doch in dem nordafrikanischen Staat kämpfen gleich mehrere Gruppierungen um die Macht - mit wem die EU zusammenarbeiten sollte, ist daher unklar.

Das ist auch einer der Hauptgründe dafür, dass die Umsetzung der beiden letzten Phasen des EU-Plans noch außer Reichweite ist. Die Vernichtung der Schlepperboote direkt an der libyschen Küste oder gar die Verfolgung der Menschenhändler an Land wäre lediglich in Kooperation mit Libyen möglich. Eine UN-Resolution wäre dafür wohl ebenfalls Bedingung. Um diese will EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nun weiter werben. Die Verständigung auf den ersten Teil des Plans, die verstärkte Überwachung der Schlepperrouten, soll ihr dabei helfen. Denkbar wäre danach ein Beschluss der Vereinten Nationen nach Artikel sieben, der die Vorgangsweise bei wirtschaftlichen und militärischen Zwangsmaßnahmen regelt. Die Nato bot jedenfalls schon ihre Unterstützung für die Bildung einer EU-Militärmission an. Es gebe zwar noch keine Anfrage der Europäer, stellte Generalsekretär Jens Stoltenberg klar. Jedoch sei die Nato "bereit zu helfen", wenn solch ein Antrag einlange.

Allerdings sind selbst unter den Mitgliedstaaten die Meinungen über den Umfang eines möglichen Militäreinsatzes geteilt. So hält der österreichische Außenminister Sebastian Kurz ein Vorgehen gegen die Schlepper für "machbar". Es sei notwendig, dass die EU "hier nicht zusieht, sondern aktiv wird". Die Zerstörung von Booten sei aber an ein UN-Mandat gebunden, sagte Kurz, der sich auch eine Entsendung österreichischer Stabsoffiziere ins italienische Hauptquartier vorstellen kann.

Kritik an Militäreinsatz

Der deutsche Ressortleiter Frank-Walter Steinmeier hingegen äußerte mehr Bedenken. So sei schon für das Aufbringen und die Kontrolle von Schiffen die Zustimmung der Vereinten Nationen nötig. Auch würde Berlin gern mit libyschen Stellen kooperieren.

Das Flüchtlingsproblem könne aber weder durch Seenotrettung noch eine Militäroperation allein gelöst werden, betonte Steinmeier. Zusätzliches Engagement in den Herkunftsländern sei erforderlich. Das ist auch von Flüchtlingsorganisationen und politischen Gruppierungen wie den Grünen zu hören. Sie kritisieren, dass die EU auf das "Massensterben im Mittelmeer" mit militärischen Mitteln reagieren will und damit die instabile Situation in Ländern wie Libyen noch verschärft. Die Forderung, legale Möglichkeiten der Einreise in die EU zu schaffen, ist jedoch bisher auf wenig Sympathie in der EU gestoßen. Allzu sehr sind die Mitgliedstaaten darum bemüht, ihre Einwanderungspolitik jeweils selbst zu bestimmen.