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Selbst "Schwester Stan" ist für die Homo-Ehe

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Am Freitag stimmen die Iren über das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Heirat ab. Die Umfragen deuten auf einen Sieg der Reformer hin.


Dublin/London. Stanilaus Kennedy hat sich "die Sache gründlich überlegt". Die 75-Jährige, aufgrund ihrer karitativen Arbeit bekannteste Nonne auf der "Grünen Insel", will am Freitag "Ja" sagen, "um für Gleichberechtigung zu sorgen". Die Homosexuellen im Lande, findet Kennedy, die auch "Schwester Stan" genannt wird, müssten endlich "vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft" werden. Das Recht zur Ehe sei schließlich niemandem abzusprechen. Es sei "ein Bürgerrecht - und ein Menschenrecht zugleich".

"Schwester Stan" ist nicht die Einzige, die fürs Referendum Ende dieser Woche zur großen Reform aufruft, in der noch immer überwiegend römisch-katholischen Republik Irland. Auch der in ländlichen Gebieten weithin populäre Country-Sänger Daniel O’Donnell tritt für die Homo-Ehe ein. Schauspieler wie Colin Farrell, Sportler, Rundfunkleute und Politiker aller Parteien wollen ein "Ja" sehen, wenn ihre Landsleute am Freitag zu den Urnen gehen.

Behielten sie recht, könnten die Iren sich eigenhändig ins "Guinness Buch der Rekorde" eintragen: Irland wäre die erste Nation der Welt, in der das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Heirat per Volksabstimmung sanktioniert worden wäre. Und das wäre schon etwas. Denn bis 1993 war Homosexualität noch ein krimineller Tatbestand in Irland. Zivile Partnerschaften wurden 2011 eingeführt auf der Insel. Nun, vier Jahre später, setzen die Iren zum "großen Sprung" mit ihrer geplanten Verfassungsänderung an.

Die Aussichten für ein "Ja" sind nicht schlecht. Letzte Umfragen der Dubliner "Irish Times" kommen auf 58 Prozent für die Reform, 25 Prozent dagegen und 17 Prozent bislang Unentschiedene. Die politische Front ist dabei ziemlich lückenlos. Nur ein einziger der 166 Abgeordneten des irischen Parlaments, des Dáil, hat sich auf ein "Nein" festgelegt. Selbst sonst eher vorsichtige Volksvertreter, wie Regierungschef Enda Kenny, haben klar Partei bezogen und aus ihrer Präferenz kein Geheimnis gemacht.

Gegen die Reform stemmt sich die Hierarchie der katholischen Kirche. Vier der ranghöchsten Bischöfe haben am vorigen Sonntag in ihren Diözesen Hirtenbriefe verlesen lassen, die die Gläubigen nachdrücklich zur Ablehnung der Verfassungs-Änderung auffordern. Erzbischof Eamon Martin, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in Irland, erklärte mehrfach, eine "same sex union" - also eine Homo-Ehe - entspräche "nicht im Entferntesten Gottes Plan für Ehe und Familie".

Trotz Martin und trotz Kirchenfürsten-Verdikt hält aber "Schwester Stan" fest an ihrer Überzeugung: "Wir haben viel zu lange die schwule und lesbische Bevölkerung diskriminiert." Zahllose persönliche Bekenntnisse und Solidaritäts-Erklärungen wie ihres haben in den letzten Wochen der Reform zu genereller Respektabilität verholfen.

Mit Parolen wie "Kinder verdienen eine Mutter und einen Vater" oder "Zwei Männer können keine Mutterliebe ersetzen" haben die Gegner der Reform, meist Angehörige religiöser Gruppen, ihrerseits Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen versucht. Die umstrittene Frage der Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare stand von Anfang an im Mittelpunkt ihrer Argumentation.

Evangelikale mischen mit

Just in den letzten Tagen vor der Stimmabgabe haben die Reform-Befürworter registriert, dass ihr vormals klarer Vorsprung in den Umfragen zu schmelzen begann und ihre Opponenten massenhaft neues Werbematerial "an die Front" geworfen haben. In der letzten Woche vor dem Wahlgang sind überall Poster und Plakate und in den Provinzblättern ganzseitige Anzeigen der Anti-Reform-Lobby erschienen.

Christlich-evangelikale Gruppen tragen zu einem Gutteil diese religiöse Offensive. Sie stützen sich auf die Hilfe zehntausender afrikanischer und anderer Einwanderer nach Irland. "Wir wollen nicht", meint stellvertretend für tausende Gleichgesinnter der in Nigeria gebürtige Dubliner Pastor Adewale Kuyebi, "dass ein ganz und gar gottloses Gesetz in die irische Verfassung aufgenommen wird." Gelder US-amerikanischer Kirchen sollen die Kampagne finanziert haben. Allerdings werfen auch die Reformgegner ihren Opponenten vor, sich unlauterer ausländischer Geldquellen zu bedienen.

Reform-Befürworter warnen vor einem "Unsicherheitsfaktor", der den Gegnern der Reform noch in letzter Minute einen Sieg zuspielen könnte. Die fatale Fehlerquote bei den Umfragen vor den jüngsten britischen Unterhauswahlen hat auch in Irland Nervosität ausgelöst. Einige Iren erinnern sich noch daran, dass vor dem historischen Scheidungs-Referendum von 1995 der "Ja"-Seite in Umfragen über 70 Prozent der Stimmen vorausgesagt wurden. Am Ende wurde das Referendum von den Scheidungs-Willigen nur ganz knapp, mit 50,3 zu 49,7 Prozent, gewonnen.