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Steuerdeals im Visier der EU

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Trotz Amazons Ankündigung, Gewinne in mehreren Ländern zu versteuern, prüft EU Vereinbarungen mit Luxemburg.


Brüssel. Die Angestellten wünschen sich angemessene Bezahlung, die Staaten fordern Steuern ein, die EU-Kommission prüft: Der US-Internethändler Amazon sieht sich in Europa gleich vor mehrere Herausforderungen gestellt. Während hunderte Mitarbeiter an mehreren deutschen Standorten in den Streik getreten sind, um höhere Löhne zu verlangen, setzt in Brüssel die Kommission ihre Untersuchung wegen möglicherweise unlauterer Steuervorteile fort. Daran ändert die Mitteilung des Konzerns, die Verrechnungspraxis geändert zu haben, nichts. Amazon erklärte, seit Monatsanfang Gewinne, die in Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien erzielt werden, auch dort zu versteuern. Bisher hat das Unternehmen dies in Luxemburg verbucht, wo nur geringe Steuersätze erhoben werden.

"Wir überprüfen regelmäßig unsere Firmenstrukturen, um sicherzustellen, dass wir unsere Kunden bestmöglich bedienen können", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Konzernsprecher. Nach Nordamerika ist Deutschland der wichtigste Markt für Amazon; nach den Ablegern dort und in den drei anderen EU-Staaten soll bald einer in Frankreich gegründet werden. In mehreren Ländern gibt es aber auch Kritik am Online-Händler, der sich mit Steuervermeidung viel Geld spart.

Wachsende Empörung

Diese Praxis muss nicht immer illegal sein - aber sie sorgt für wachsende Empörung, wenn gleichzeitig Staaten ihre Schulden verringern sollen und Bürgern teils rigide Sparprogramme auferlegt werden. Den Unmut verstärkten im Vorjahr die Berichte eines internationalen Journalisten-Netzwerks, die das Ausmaß der Steuerabsprachen von Konzernen mit luxemburgischen Finanzbehörden aufzeigten. Solche Vorentscheide, sogenannte Tax Rulings, kennen auch andere EU-Staaten.

Diese Abmachungen seien rechtens und würden den Unternehmen Sicherheit bei ihrer Planung geben, argumentieren die Behörden. Doch unter Umständen könnten sie den Firmen Vorteile verschaffen, die eine Wettbewerbsverzerrung und unerlaubte staatliche Beihilfe darstellen, findet die EU-Kommission. Daher prüft sie derzeit in Luxemburg die Steuerpraktiken Amazons, aber auch einer Sparte des italienischen Autoherstellers Fiat. Untersuchungen hat sie ebenfalls in zwei weiteren Ländern eingeleitet: in Irland und den Niederlanden, wegen der US-Kaffeehaus-Kette Starbucks sowie des Computerkonzerns Apple. Auch in Belgien werden Steuerabsprachen ins Visier genommen. Im EU-Parlament wiederum wurde ein Sonderausschuss eingerichtet, der sich mit den Praktiken in Luxemburg und anderen Staaten befassen soll.

Es ist Teil der Bemühungen, Steuerschlupflöcher zu schließen. Dies soll weltweit geschehen, woran die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) arbeitet. Die Kommission hat bereits einen Vorschlag zum automatischen Austausch von Informationen über Tax Rulings zwischen den Staaten präsentiert; diese müssten dem noch zustimmen.

Pochen auf Wettbewerb

Doch würde die Brüsseler Behörde gern einen Schritt weiter gehen. Sie wünscht sich einen Aktionsplan zur Unternehmensbesteuerung, der auch eine Untergrenze für die Körperschaftssteuer beinhalten könnte, die etwa von Aktiengesellschaften und GmbHs zu bezahlen ist. Eine Diskussion darüber soll es in der Sitzung der Kommissionsmitglieder am heutigen Mittwoch geben.

Die Debatte steht aber erst an ihrem Anfang. Und die Verhandlungen darüber werden sich schwierig gestalten. Schon vor einiger Zeit hat die Kommission Ideen zu einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage gewälzt, die aber auf wenig Gegenliebe bei den Mitgliedstaaten gestoßen sind. Die Länder wollen sich ihre Kompetenz in der Steuerpolitik nicht nehmen lassen, und für manche ist diese im Wettbewerb mit den Sätzen in anderen Regionen ein wichtiges Instrument, um Unternehmen anzuziehen. Die Fixierung eines Prozentsatzes für Mindestbesteuerung ist daher kaum in Reichweite.

Die Kommission möchte die Gespräche trotzdem wieder aufnehmen und noch vor dem Sommer eine Gesetzesinitiative starten. Eine Möglichkeit bei der Konsolidierung der Körperschaftssteuer wäre die Aufteilung zwischen den jeweiligen Staaten. Ein Unternehmen, das in mehreren Ländern tätig ist, müsste dann nur ein Regelwerk beachten.

Auch wenn sie noch vage sind, werden die Pläne der Kommission in Teilen des EU-Parlaments begrüßt. Vorschläge für EU-weite Mindestsätze bei Unternehmenssteuern würden "Schwung in die Debatte um gerechte Steuern" bringen, erklärte die SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner. Es geht dabei um hohe Beträge: Nach Kommissionsangaben würden den Unionsmitgliedern durch Betrug und gezielte Vermeidung jährliche Einnahmen in der Höhe von einer Billion Euro verloren gehen.