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EU-Staaten sollen für Aufnahme von Flüchtlingen Geld erhalten

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Kommission stellt Programm zu Umsiedlung aus Italien und Griechenland vor - Zustimmung der Länder ungewiss.


Brüssel. Geredet wurde schon viel, nun sei Zeit zu handeln. Diese Meinung vertrat zumindest die EU-Kommission, als sie ihre Pläne zur Verteilung zehntausender Flüchtlinge in Europa präsentierte. Zwei Wochen, nachdem die Behörde ihre Migrationsagenda vorgestellt hatte, drängt sie auf die Umsetzung der Maßnahmen, die unter anderem die Notumsiedlung von 40.000 nach Italien und Griechenland eingereisten Zuwanderern vorsehen. Dies würde zum kurz zuvor vorgelegten Programm der Neuansiedlung von 20.000 schutzbedürftigen Menschen hinzukommen. "Wir müssen die Verantwortung teilen", betonte Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Solidarität müsse nun nicht lediglich deklariert, sondern gezeigt werden.

Die Debatte über die Flüchtlingspolitik in den Mitgliedstaaten wird die Kommission jedoch nicht abwürgen können - auch wenn die Europäer sich tatsächlich unter Handlungsdruck fühlen müssen, wenn tausende Menschen beim Versuch, in die EU zu gelangen, umkommen sowie Italien und Griechenland klagen, mit weiteren zehntausenden Einwanderern überfordert zu sein. Für diese beiden Länder hat die Kommission nun erstmals einen Mechanismus gestartet, der im EU-Recht verankert ist. Der Artikel besagt, dass im Falle eines "Zustroms von Drittstaaten-Angehörigen", der zu einer Notsituation führt, Maßnahmen zur Unterstützung der betroffenen Mitglieder beschlossen werden können. Dem müssen die anderen mit qualifizierter Mehrheit noch zustimmen.

Eine Garantie gibt es dafür allerdings nicht. Denn während einige afrikanische Staaten Millionen Flüchtlinge zu versorgen haben, sträuben sich manche EU-Länder gegen einen verpflichtenden Verteilungsschlüssel für ein paar zehntausend Menschen. Es geht um 24.000 und 16.000 Syrer sowie Eritreer, die in den nächsten zwei Jahren von Italien und Griechenland aus umgesiedelt werden sollen. Wären die Zahlen geringer, würde es den beiden Mitgliedern nicht helfen, erklärte Avramopoulos. Mehr würden umgekehrt die anderen wohl nicht akzeptieren.

Schlüssel für Verteilung

Die Länder, die die Migranten aufnehmen, kümmern sich um die Asylverfahren. Und sie bekommen auch Geld dafür: 240 Millionen Euro stellt die EU für das Programm zur Verfügung. Das entspricht 6000 Euro pro umgesiedelte Person.

Für den Verteilungsschlüssel hat die Kommission - ähnlich wie schon beim Ansiedlungsprogramm für 20.000 Menschen - bestimmte Kriterien gewählt. Die Berechnung stützte sich jeweils zu 40 Prozent auf die Bevölkerungszahl sowie Wirtschaftsleistung, und jeweils zehn Prozent machten die Arbeitslosenrate sowie bisherige Asylleistungen aus. Die meisten Flüchtlinge, knapp 8800 Personen, würde Deutschland aufnehmen. Frankreich hätte etwas mehr als 6700 und Spanien knapp 4300 Menschen zu versorgen. Österreich müsste sich um 1213 Asylwerber kümmern. Hinzu kämen 444 Personen aus dem Ansiedlungsprogramm.

Drei Mitgliedstaaten finden sich jedoch gar nicht auf der Liste: Großbritannien, Irland und Dänemark. Das skandinavische Land hat eine Ausnahmeregelung für den Justiz- und Innenbereich, und London sowie Dublin können sich ebenfalls auf bestimmte Sonderrechte berufen. Sie beteiligen sich am Programm nur, wenn sie möchten - und die britische Regierung hat bereits ihr Desinteresse signalisiert.

Um das Vorhaben zum Scheitern zu bringen, bräuchte es aber mehr Länder. Ungarn und Tschechien beispielsweise, die sich ebenfalls gegen verpflichtende Quoten ausgesprochen haben, müssten weitere Mitglieder auf ihre Seite ziehen, um die qualifizierte Mehrheit zu verhindern. Erreicht wäre diese bei 55 Prozent der EU-Staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Eines der größten Länder, Deutschland, hat die Pläne bereits begrüßt. Auch Österreich hat bisher für eine stärkere Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU plädiert. Die beiden hoffen, dass sie in einem Quotensystem weniger Menschen zu betreuen hätten.

Positiv äußerte sich ebenfalls UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der bei seinem Brüssel-Besuch das Vorhaben kommentierte. Er freue sich über das Engagement der Kommission und warte darauf, dass die Staaten sich ebenfalls engagieren. Mehr Skepsis lösen da andere Teile der europäischen Flüchtlingspolitik aus. So zeigte sich Ban Ki-moon besorgt über die geplante EU-Militäraktion gegen Schlepperboote im Mittelmeer. Solche Operationen hätten nur eine begrenzte Wirkung; wichtiger wäre die Rettung aus Seenot.

Legale Zuwanderung

Maßnahmen gegen Schlepper sind aber ein wichtiger Teil der Kommissionsvorschläge. Der Aktionsplan sieht nicht nur verstärkten Austausch von Informationen über verdächtige Schiffe und auffällige Geldtransaktionen vor, sondern auch eine Kooperation mit Anbietern von Internetdiensten und sozialen Medien, um Inhalte, die Schlepper für Werbezwecke nutzen, aufzuspüren und zu löschen. Außerdem plädiert die Behörde für eine systematische Aufnahme von Fingerabdrücken der Ankommenden.

Weniger Aufmerksamkeit hingegen widmet die EU den Möglichkeiten der legalen Zuwanderung. Die Kommission hat zunächst einmal eine Befragung zur Überarbeitung der sogenannten Blue Card gestartet, die qualifizierten Arbeitskräften die Aufnahme in der Union erleichtern soll. Wie dringend Migranten für die Arbeitsmärkte benötigt werden, das betonen Wirtschaftskreise schon seit langem. Die Wirtschaftskammer Österreich beispielsweise weist darauf hin, dass ohne Zuwanderung die Pensionssysteme der alternden Gesellschaften nicht zu erhalten sind. Die Prognosen für Österreich gehen für die kommenden Jahre von 30.000 Einwanderern aus. Sollte die Zahl darunter sinken, geriete das System - noch mehr - ins Wanken.