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Lukoil baut Aktivitäten in Wien deutlich aus

Von Reinhard Göweil

Politik

Der Gründer und Vorsitzende des russischen Ölkonzerns Lukoil, Wagit Alekperow, im Exklusiv-Interview.


Wagit Alekperow (64) gründete 1993 den russischen Ölkonzern Lukoil und steht ihm bis heute vor. Er gilt mit einem Vermögen von 12,3 Milliarden Dollar als achtreichster Russe. Lukoil ist - nach Börsekapitalisierung - mittlerweile der sechstgrößte Ölkonzern der Welt und in rund 50 Ländern tätig. Das russische Unternehmen mit rund 110.000 Mitarbeitern hat in Wien seine internationalen Aktivitäten in einer Holding gebündelt, die nun noch deutlich ausgebaut wird. Lukoil war der erste vertikal integrierte Ölkonzern Russlands und betreibt neben der Ölförderung auch Raffinerien, Tankstellen und petrochemische Anlagen. Anlässlich der Ausweitung der Zuständigkeiten der in Wien ansässigen Holding Lukoil International GmbH war Wagit Alekperow in Wien. Die "Wiener Zeitung" führte mit ihm das folgende Interview.

"Wiener Zeitung": Herr Alekperow, Lukoil besitzt ein Prozent der weltweiten Ölreserven. Welche künftige Entwicklung des Ölpreises erwarten Sie?Wagit Alekperow: Wir haben drei Szenarien erstellt: 50, 60 und 65 Dollar. Gegenwärtig gehen wir von einem Ölpreis um 60 Dollar je Barrel (159 Liter, Anm. d. Red.) aus. Dazu gehört eine Reihe von Faktoren: Erstens gehen wir davon aus, dass es keinen Förderrückgang bei der Opec geben wird. Die Förderung der Bohrstationen in den USA wird zwar rückläufig sein, das hat aber kaum Auswirkungen. Und jetzt öffnet Mexiko den Energiemarkt für Investoren. Seit 1938 ist der mexikanische Ölmarkt gesperrt, und wir analysieren nun die neue Situation dort (Lukoil zählt zu 39 Ölunternehmen, die Interesse an einer Ölförderung in Mexiko bekundet haben, seit das Ölmonopol der staatlichen Pemex abgeschafft wurde, Anm. d. Red.).

Was erwarten Sie im Iran? Wenn es eine Einigung mit dem Iran gibt, fallen die Sanktionen, und das Land kehrt an die Märkte zurück. Wird das nicht zu einem weiteren Sinken des Ölpreises führen?

Wir erwarten eine Einigung mit dem Iran im Atomstreit, es gibt eindeutige Signale von den Verhandlungspartnern und den USA, dass es zu einer Einigung kommen wird. Das hat natürlich Auswirkungen. Der Ölpreis würde kurzfristig unter 60 Dollar fallen. Aber niedrigere Preise kurbeln auch den Verbrauch an. Wir sehen ja jetzt auch einen Anstieg in Europa und den USA, das führt dann wieder zu Preissteigerungen.

Wird Lukoil im Iran investieren, wenn die Sanktionen tatsächlich beendet werden?

Wir haben vor der Verhängung der Sanktionen im Iran mit einem norwegischen Partner (Statoil, Anm. d. Red.) das Feld Anaran entwickelt und waren danach gezwungen, uns wieder zurückzuziehen. Wir hoffen, nach Aufhebung der Einschränkungen wieder zu dieser Lagerstätte zurückkommen zu können, weil wir uns ja am besten mit der Geologie dort auskennen. Es gibt dort enorme Vorkommen an Ölvorräten.

Wie schnell kann so etwas gehen?

Im Herbst werden uns im Iran die neuen Bedingungen präsentiert. Der Iran ist gerade dabei, den gesetzlichen Rahmen für Investoren zu schaffen. Lukoil arbeitet generell mit allen Playern und internationalen Partnern zusammen, um Risiken zu minimieren (im Iran dürfte es sich Marktgerüchten zufolge um Exxon, Mobil, Chevron, BP handeln, Anm. d. Red.).

Kommen wir zur EU. Was halten Sie von der Energieunion?

Das dritte Paket der EU betrifft den Gassektor. Wir fördern zwar 25 Milliarden Kubikmeter Gas, aber wir liefern nur an russische Verbraucher und Gazprom. Nur Gazprom darf Gas exportieren. Wir sehen keine Beeinträchtigung. Und wir sind selbst in Sizilien, den Niederlanden, Bulgarien und Rumänien tätig, in Norwegen und Rumänien explorieren wir. Dort stehen wir im harten Wettbewerb und sehen keine politischen Einschränkungen.

Ein Ziel der Energieunion ist es aber, die Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren. Und das betrifft nicht nur Gas, sondern auch Öl.

Das ist ein historischer und ein geografischer Faktor. Die enormen Ölvorräte, über die Russland verfügt, müssen zu den Verbrauchern kommen. Die UdSSR hat mit Europa in den 1970ern ein sehr weitverzweigtes Pipeline-System errichtet, und 50 Jahre lang haben diese Pipelines die stabile Versorgung Europas gewährleistet. Und sogar in den heißesten Phasen des Kalten Krieges hat es keine Unterbrechung dieser Energieversorgung gegeben. Nur in jüngster Zeit gab es Probleme mit der Ukraine, und daher errichtet Russland jetzt Pipelines ohne Transit. Europa und Russland werden strategisch zusammenarbeiten, um dies zu lösen. Beide sind darauf angewiesen, diese einzigartigen geografischen Voraussetzungen zu nutzen. Öl- und Gaslieferungen aus anderen Weltgebieten wären deutlich kostspieliger. Wir als Lukoil sind uns jedenfalls unserer Verantwortung bewusst, diese Versorgung zu gewährleisten.

Lukoil hat Wien als internationalen Holding-Standort gewählt. Warum Wien und nicht zum Beispiel Luxemburg, wo die Steuern vermutlich niedriger sind?

Wien ist eine Hauptstadt und hat eine sehr stabile Steuergesetzgebung. Es gibt gute Lebensbedingungen für unsere Mitarbeiter, gute Kommunikation, und die geografische Lage ist günstig. Wien ist die einzige Stadt, von der aus man innerhalb einer Stunde in die wichtigsten Hauptstädte gelangt. Deshalb haben wir heute beschlossen, künftig auch unser gesamtes internationales Explorations- und Produktionsgeschäft mit einem Umsatz von 4,6 Milliarden unter unsere Wiener Holding Lukoil International zu bündeln. Somit ist Wien unsere wichtigste Drehscheibe für internationale Aktivitäten (damit steuert Lukoil etwa 40 Milliarden Dollar Umsatz über Wien, Anm. d. Red.).

Sie sind seit dem Vorjahr auch in der Produktion tätig und haben den Schmiermittelbereich der OMV in der Wiener Lobau gekauft. Was haben Sie damit vor?

Wir planen, dieses Werk zu modernisieren und die Kapazitäten zu verdoppeln. Weiters wird eine Schiffsanlegestelle gebaut, die einen umweltfreundlichen Transport der Basisöle (Rohstoff für die Schmiermittelerzeugung, Anm. d. Red.) in die Fabrik ermöglichen wird. Wir haben ähnliche Werke auch in anderen Ländern, Wien fügt sich da organisch gut hinein.

Lukoil hat zur Weiterentwicklung von Motorölen in Russland eine Kooperation mit Autoproduzenten gestartet. Wird Lukoil hier stärker in die Forschung einsteigen?

Ja. Wir haben ein Forschungszentrum zur Entwicklung neuer Treibstoffe und liefern unsere Öle an die größten Automobilhersteller und auch für Schiffe.

Kürzlich ist eine Analyse veröffentlicht worden, wonach Saudi-Arabien im Jahr 2040 aus der Ölförderung ausscheiden dürfte. Lukoil betreibt einen Geschäftsbereich namens "grüne Energie". Machen Sie sich auch Gedanken darüber, wie es nach dem Öl weitergehen wird?

Ich werde das sehr oft gefragt. Wir überlegen uns das ständig und investieren in alternative Energien. Wir haben mittlerweile Wasserkraftwerke in der Russischen Föderation, Wind- und Sonnenkraftwerke in Bulgarien und Rumänien. Es gibt bei uns keine Denkverbote, und die Menschheit wird immer danach streben, umweltfreundliche Treibstoffe zu produzieren. Ich sage immer meinen Mitarbeitern, die Steinzeit ist nicht zu Ende gegangen, weil die Steine ausgegangen sind, sondern weil neue Werkzeuge entwickelt wurden. Es wird neue Energiearten geben. Es ist die Mission von Konzernen wie unserem, solche Entwicklungen voranzutreiben. Aber das darf natürlich den Verbrauchern nicht zum Nachteil gereichen. Man muss es parallel entwickeln.

Wie viel Umsatz wird Lukoil in zehn Jahren mit neuen Energien machen? Trauen Sie sich da eine Einschätzung zu geben?

In der EU gibt es ja die Absicht, bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energie auf 20 Prozent zu erhöhen, aber niemand redet davon, wie viel das kosten wird. Derzeit wird das von den privaten Haushalten finanziert (über Aufschläge zum Strompreis, Anm. d. Red.). Die Regierungen müssten das subventionieren. Mehr als 60 Prozent des Diesel- und Benzinpreises sind ja auch Steuern. Wir werden uns jedenfalls auf Energie einsparende Technologien und auf die Entwicklung neuer Energien konzentrieren.