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Kontinentale Annäherung

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Europa und Lateinamerika streben eine Vertiefung ihrer Handelsbeziehungen an. Ein Glasfaserkabel unter Wasser soll eine direkte Verbindung zwischen den Regionen ermöglichen.


Brüssel. An Zuversicht zumindest mangelte es nicht. Zwar haben die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika in letzter Zeit stagniert, weil beide Seiten vor allem mit ihren jeweiligen Problemen beschäftigt waren. Doch beide wollen dies nun ändern und ihr Verhältnis wieder vertiefen. Das bekräftigten sie nach einem zweitägigen Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs mit ihren Amtskollegen aus Lateinamerika und der Karibik. Vertreter von 61 Staaten nahmen an der Zusammenkunft teil; gemeinsam repräsentieren sie mehr als eine Milliarde Menschen und ein Gebiet, das mehr als ein Viertel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.

Zusammen könnten die Regionen daher einen entscheidenden Einfluss ausüben, betonte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach dem Treffen. Als Beispiele nannte er dabei den Kampf gegen Klimawandel oder Drogenhandel sowie eine Entwicklungsagenda für die kommenden Jahre. Diese dürfe auch bei der ökonomischen Kooperation nicht vernachlässigt werden, ergänzte Ecuadors Präsident Rafael Correa: "Unser Handel untereinander muss zu mehr Entwicklung führen."

Denn es waren nicht zuletzt die unterschiedlichen Handelsabkommen, die ein zentrales Gipfelthema darstellten. Mit 26 der 33 Staaten hat die EU Verträge abgeschlossen; in der Liste fehlen lediglich Kuba und Bolivien sowie die Länder des Mercosur-Verbandes: Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela. Diese bilden immerhin den viertgrößten Wirtschaftsraum außerhalb der EU, die wiederum zu den wichtigsten Handelspartnern der Staaten zählt. In ganz Lateinamerika wird Europa dabei lediglich von den USA überholt, und auch wenn China mittlerweile fast gleich bedeutend ist, bleibt die EU der größte Auslandsinvestor. Die direkten Investitionen in der Region belaufen sich auf rund 500 Milliarden Euro - mehr als in Russland, China und Indien zusammengenommen. Das Volumen des Handels zwischen den Kontinenten betrug im Vorjahr knapp 210 Milliarden Euro.

Die Vereinbarung einer Freihandelszone mit den Mercosur-Ländern wäre für die Europäer denn auch eines der umfassendsten Abkommen, in seiner Bedeutung gleich auf die geplanten Verträge mit den USA und Japan folgend. Doch die - schon einmal ausgesetzten - Verhandlungen darüber bringen seit Jahren keine Fortschritte. Widerstand kommt aus Argentinien, aber auch aus Frankreich oder Irland, die skeptisch gegenüber einer Öffnung ihrer Agrarmärkte sind. Nun sollen die Gespräche aber neu belebt werden. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström kündigte an, dass bis Jahresende Angebote über den gegenseitigen Marktzugang ausgetauscht werden.

Verpflichtung zum Klimaschutz

Neuer Schwung soll auch in den politischen Dialog kommen. Treffen zwischen den Spitzenvertretern sollen künftig nicht nur wie bisher alle zwei Jahre stattfinden. Zwischen den Gipfeln sollen nun ebenfalls die Außenminister zusammenkommen. Eine konkrete Vernetzung soll es auch geben - in Form einer Breitband-Glasfaserleitung unter Wasser. Diese wird zwischen der portugiesischen Hauptstadt Lissabon und Fortaleza in Brasilien verlegt und sorgt für eine direkte Verbindung zwischen den Kontinenten. Bisher läuft der Internet-Verkehr nämlich über Nordamerika. Für das Projekt stellt die EU an die 25 Millionen Euro zur Verfügung.

Doch stellen die Europäer auch weitere Mittel in Aussicht. So sollen 118 Millionen Euro in die wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas fließen. Das Geld soll dazu beitragen, europäische Investitionen in der Region auszubauen, die Infrastruktur zu stärken sowie kleinen und mittleren Betrieben den Zugang zu internationalen Märkten zu erleichtern. Insgesamt liegen in den Fördertöpfen der EU rund 800 Millionen Euro bis zum Jahr 2020 bereit.

Umgekehrt haben die Amerikaner den Europäern aber nicht nur Marktchancen zu bieten. Die EU braucht die Länder für einen Erfolg bei der Weltklima-Konferenz in Paris Ende des Jahres. Daher wirbt sie für verbindliche Vereinbarungen zur Reduzierung des Ausstoßes an Treibhausgasen. In Brüssel sprachen sich die Gipfelteilnehmer für solch eine Verpflichtung aus. Die Klimaerwärmung solle im besten Fall unter den Wert von 1,5 Grad Celsius gedrückt werden, heißt es im Schlussdokument des Treffens.

Trotz aller Wünsche nach mehr Kooperation zwischen den Regionen, ist aber so manche bilaterale Beziehung nicht frei von Spannungen. Dies zeigte ein Geplänkel zwischen den Repräsentanten Argentiniens und Großbritanniens, die sich seit Jahren einen Streit um die Falklandinseln liefern. Den Anspruch seines Landes darauf soll Außenminister Hector Timerman bekräftigt haben. Die Regierung in London weist dies brüsk ab. Das machte wiederum Premier David Cameron einmal mehr klar.