Wien. Entgegen den Behauptungen von TTIP-Befürwortern wie der EU-Kommission oder auch der Wirtschaftskammer (WKÖ) und der Industriellenvereinigung (IV) wird die Mehrheit der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) zu den Verlierern des transatlantischen Handelsabkommens zählen, so das Ergebnis einer Analyse des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac. Zudem exportieren weniger als ein Prozent der KMU überhaupt in die USA. "Die positiven Auswirkungen auf KMU werden vollkommen überzeichnet", so Attac Österreich gegenüber der APA. Die NGO spricht in diesem Zusammenhang von einer "reinen PR-Aktion". "EU- und US-Konzerne sind die wahren Gewinner von TTIP", so der Ökonom und Studienmitautor Simon Theurl.

Auch vom geplanten Investorenschutz (ISDS) hätten die KMU nichts. Im Gegenteil: Da die durchschnittlichen Verfahrenskosten bei den Schiedsgerichten rund acht Millionen Euro betragen, wäre damit eine Zweiklassengesellschaft auch für Unternehmen besiegelt - neben den demokratiepolitischen Bedenken, die Attac im Zusammenhang mit privaten Schiedsgerichten hat. Auch die Reformvorschläge von EU-Kommissarin Cecilia Malmström würden an diesen Konzern-Sonderrechten nichts ändern, heißt es.

Basis dieser TTIP-Analyse ist der Mittelstandsbericht 2014. Demnach gibt es in Österreich rund 313.000 kleine und mittelständische Betriebe. Das sind 99,6 Prozent aller Unternehmen. Laut Wirtschaftskammer haben nur 1500 bis 1800 aller heimischen Unternehmen Wirtschaftsbeziehungen mit den USA, das sind also deutlich weniger als ein Prozent. Nur 5,6 Prozent der Exporte entfallen auf die Vereinigten Staaten.

Auch in der EU liegt laut den Studienautoren der Anteil der KMU, die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA haben, unter einem Prozent. Der Löwenanteil der Exporte in die USA entfällt dagegen zu 72 Prozent auf rund 20.000 Großkonzerne. "Selbst wenn durch TTIP - wie in den optimistischsten Prognosen - der Handelsumsatz um 0,05 Prozent steigt, würden davon nur 28 Prozent auf KMU entfallen. Der KMU-Sektor hätte also Zuwächse von 0,0014 Prozent zu erwarten", so Theurl.

Angst vor US-Agrarkonzernen

Gleichzeitig würden von den TTIP-Befürwortern die mit dem Handelsabkommen einhergehenden Risiken ausgeblendet: "Der Großteil der KMU produziert vorrangig für lokale Märkte und den europäischen Binnenmarkt. Rund 70 Prozent des österreichischen Außenhandels findet mit EU-Ländern statt, weitere 10 Prozent mit anderen europäischen Ländern", heißt es weiter.

Der in den EU-Studie erwartete Rückgang des EU-Binnenhandels würde vor allem die KMU treffen. Dennoch verkünde die Europäische Kommission weiterhin, dass besonders kleine und mittlere Unternehmen von TTIP profitieren werden, kritisiert Theurl. Profitieren würden aber die "Global Players", die durch TTIP ihre monopolistischen Stellungen ausbauen und die KMU verdrängen könnten. Das könnte insbesondere den heimischen Lebensmittelhandel betreffen, der zu 99 Prozent von den KMU dominiert werde. "Eine Marktöffnung für US-amerikanische Agrarkonzerne ist aufgrund ihrer Kostenvorteile in der Produktion eine enorme Gefahr", warnt Theurl.

"Es ist verwunderlich, dass die österreichische Wirtschaftskammer als KMU-Interessensvertretung nur über die Chancen für ein Prozent der Unternehmen spricht, während sie über die Risiken für die restlichen 99 kein Wort verliert", kritisiert Alexandra Strickner von Attac Österreich.

Gründe für die schwache Exportpräsenz von KMU sieht Theurl neben der generellen Orientierung auf regionale Märkte in der vergleichsweise geringen Kapitaldecke, die die Abdeckung von erhöhten Risiken im Außenhandel erschwert. Zudem verfügten die KMU nur über begrenzte Ressourcen, etwa für juristische Expertisen, Logistik, Vertrieb oder internationale personelle Vernetzung und den Übersetzungsbedarf. Viele KMU würden zudem hochspezialisiert mit Fokus auf lokale Marktbedingungen arbeiten.

Nafta abschreckend

Als abschreckendes Beispiel verweist Studienmitautor Jan Grumiller auf das Nafta-Abkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada. Auch hier seien positive Wohlfahrtseffekte versprochen worden, aber nur große Unternehmen hätten davon profitiert. Der Exportanteil US-amerikanischer KMU sei zwischen 1996 und 2012 von 15 auf 12 Prozent gesunken, während Großunternehmen ihre Anteile ausbauen konnten. Im mexikanischen Agrarbereich sei mehr als eine Million Arbeitsplätze zerstört worden, nur ein Teil der Menschen habe in schlecht bezahlten Industriearbeitsplätzen entlang der US-Grenze Arbeit gefunden, kritisiert Grumiller.