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Neue Spitze für EU-Verwaltung

Von Alexander U. Mathé

Politik

Die Posten der Generaldirektionen der EU-Kommission wurden teilweise neu besetzt.


Brüssel. Große Rochade in Brüssel: Die Chefposten der Generaldirektionen der Europäischen Kommission wurden teilweise neu besetzt. Dabei ergatterte nicht nur ein Außenseiter das mächtige Amt des Direktors des Generalsekretariats. Die Kommission unterstrich durch die Schaffung einer neuen "Task Force Großbritannien" auch ihre große Sorge über das EU-Referendum auf der Insel.

Wenn man der Einfachheit halber die EU-Kommissare mit Ministern vergleicht, so entsprächen die EU-Generaldirektoren in etwa den Sektionschefs der Ministerien. Sie haben ein eigenes Portofolio - wie beispielsweise Energie, Umwelt oder Übersetzung -, für das sie verantwortlich sind, unterstehen aber einem Kommissar, der im Gegensatz zu ihnen nach außen hin politisch aktiv ist. Die Generaldirektion und der Titel ihres Kommissars können deckungsgleich sein, müssen dies aber nicht immer sein. So untersteht dem Kommissar für Forschung und Innovation zwar die gleichnamige Generaldirektion, aber auch jene mit dem Namen Gemeinsame Forschungsstelle. Hinzu kommen noch die den Generaldirektionen gleichgestellten Ämter und Dienste der Kommission. Dem Kommissar für Steuern und Zollunion unterstehen beispielsweise neben der gleichnamigen Generaldirektion auch das Amt für Betrugsbekämpfung sowie der interne Auditdienst.

Eigentlich war für Mittwoch erwartet worden, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Doch das große Sesselrücken blieb letztlich aus. 23 der 33 Generaldirektoren werden ihren Job behalten. Das, obwohl grundsätzlich alle fünf Jahre eine Rotation an der Spitze vorgesehen ist - ein Ziel, das von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jedoch als dumm bezeichnet worden war. "Wir werden nicht die Hälfte der Generaldirektionen umbesetzen, nur um zu zeigen, dass wir das Sagen haben", erklärte Kristalina Georgieva, Vizepräsidentin der Kommission und Kommissarin für Budget und Personalfragen, bei der Präsentation der Ämterneubesetzung am Mittwoch in Brüssel.

Holländer an der Spitze

Die größte Überraschung gab es ganz an der Spitze. Den Schlüsselposten als Direktor des Generalsekretariats der Europäischen Kommission erhielt der Holländer Alexander Italianer, der im Vorfeld nicht einmal unter Insidern ein Thema war. Er tritt die Nachfolge der Irin Catherine Day an, die per 1. September aus dem aktiven Dienst ausscheidet.

"Er tritt in große Fußstapfen", sagte Georgieva. Der Generalsekretär ist maßgeblich an der Vorbereitung von Gesetzesinitiativen der EU-Kommission beteiligt. Mit Italianer hat es somit ein weiterer Holländer in die höchsten Sphären der EU-Politik geschafft, nach Frans Timmermans, der Erster Vizepräsident und Kommissar für bessere Rechtssetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtecharta ist, sowie dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem. "Wir brauchen jemanden mit seinem Verhandlungstalent und seiner Erfahrung, die er bisher als Leiter der Generaldirektion Wettbewerb gesammelt hat", führte Georgieva über Italianer aus.

Task Force für Briten

Der zweite Paukenschlag war die Schaffung der "Task Force Strategische Fragen im Zusammenhang mit dem Referendum im Vereinigten Königreich". Diese wird direkt dem Generalsekretariat unterstehen. Ebenso für Staunen sorgte die Besetzung des Postens mit Jonathan Faull. Der leitete bisher das Schwergewicht Generaldirektion für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion. Nun ist er mit seiner Task Force lediglich Teil des Generalsekretariats von Italianer. Allerdings versicherte Georgieva, dass Faull dem Kommissionspräsidenten direkt unterstehe. Die Tatsache, dass Faull Brite ist, dürfte jedoch den Ausschlag bei der Postenbesetzung gegeben haben.

Seine Aufgabe wird es unter anderem sein zwischen Beamten in Brüssel und London zu vermitteln sowie auszuloten, welche der britischen Forderungen nach einem Umbau der EU umsetzbar sind. Welche genau das sein werden, dürfte heute, Donnerstag, geklärt werden. Der britische Premierminister David Cameron will auf dem EU-Gipfel in Brüssel vor den anderen Staatschefs der EU-Mitglieder darlegen, welche an Brüssel abgegebenen Befugnisse er sich zurückholen will und wie er plant, dies zu tun.

Nach den Rochaden in den Generaldirektionen blieben drei Leitungsposten unbesetzt: Justiz, Übersetzungen und Publikationen. Diese Stellen werden demnächst öffentlich ausgeschrieben werden.

Einen Rückschlag nach den Neubesetzungen stellt die Quote an Frauen dar, die schwer unterrepräsentiert sind. Lediglich eine der "großen" Generaldirektionen wird von einer Frau geleitet, nämlich Wachstum. Die Chefin der Europäischen Frauenlobby sagte dazu erbost: "Selbst das afghanische Parlament besteht zu 27,7 Prozent aus Frauen."

Das Personenkarussell macht nur einmal in Österreich Halt: Die Vertretung der EU-Kommission in Wien wird mit Jörg Wojahn einen neuen Leiter bekommen. Der frühere "Standard"-Journalist arbeitete zuletzt im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) in Saudi-Arabien. Zuvor war er Sprecher der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf.

Antrittstermin für die neu besetzten Stellen ist der 1. September.