Athen. (klh/reu/apa) Bei einem Teil der Bevölkerung kommen die von Brüssel verordneten Sparpläne gar nicht gut an. Vor dem grichischen Parlament in Athen protestierten nach Aufruf der Gewerkschaften mehr als 12.000 Menschen und lieferten sich teils heftige Kämpfe mit der Polizei. Eine Gruppe von Anti-Austerität-Demonstranten warf Molotowcocktails auf die Polizisten. Diese setzten Tränengas ein. Insgesamt 30 Menschen sollen laut Reuters verhaftet worden sein.

Ein homogenes Bündnis war Syriza noch nie. In der Bewegung schlossen sich einst Trotzkisten, Maoisten, Postkommunisten und Umweltschützer zusammen, die nur eines einte: dass sie links waren. Jetzt, nach dem Aufstieg von einer Randerscheinung zur stärksten Partei Griechenlands, droht Syriza aufgrund interner Differenzen zu zerbrechen. Premierminister Alexis Tsipras selbst soll seinen Parteikollegen mit Rücktritt gedroht haben, sollten diese gegen das Sparprogramm stimmen.

Mit seinem Nachgeben in Brüssel hat Tsipras die Partei tief gespalten. Es zeigte sich im Laufe des Tages, dass offenbar der am weitesten links stehende Flügel und damit etwa ein Drittel der Partei Tsipras nicht mehr folgen will (die Abstimmung fand erst in der Nacht nach Redaktionsschluss statt). Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou etwa plädierte für die Ablehnung der Vereinbarung, die Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis während der Parlamentsdebatte als "neuen Versailler Vertrag" bezeichnete.

Höhere Steuern

Das vier Milliarden Euro schwere Sparpaket umfasst vor allem höhere Mehrwertsteuern und Zusatzabgaben für Freiberufler sowie Besitzer von Luxusautos, Häusern und Jachten. Auch sollen Frühpensionen größtenteils abgeschafft werden.

Bei allem Widerstand in den eigenen Reihen sollte Tsipras aber die pro-europäische Opposition, die Ex-Regierungsparteien Nea Dimokratia (ND) und Pasok, und damit eine Mehrheit hinter sich haben.

Er verteidigte sein Vorgehen schon im Vorfeld der Debatte in einem TV-Interview damit, dass er beim EU-Gipfel keine andere Wahl gehabt hätte. "Ich übernehme die Verantwortung für einen Text, an den ich nicht glaube, aber den ich unterzeichnet habe, um ein Desaster für das Land zu vermeiden", sagte der Premier, der "Frankreich, Italien, Zypern und Österreich" als Unterstützer seines Landes nannte.

Rückkehr der alten Garde

Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung schien klar, dass Tsipras mit dieser Regierung kaum weitermachen wird können. So kündigte Energieminister Panagiotis Lafazanis an, dass er gegen das Sparpaket stimmen werde, aber nicht zurücktreten wolle. Wie soll Tsipras mit einem Minister zusammenarbeiten, der vom Parlament beschlossene Maßnahmen nicht mittragen will?

Nun sind verschiedene Optionen im Gespräch. Etwa dass sich ein Teil der Syriza abspaltet und es Tsipras mit einer Minderheitsregierung versucht. Oder dass er sich zusätzlich zur rechtspopulistischen Anel weitere Koalitionspartner sucht - was einem Expertenkabinett der nationalen Einheit die Tür öffnen würde. Doch wenn Tsipras plötzlich - was vor ein paar Wochen noch undenkbar war - mit der ND zusammenarbeiten sollte, kehrt die alte Garde wieder zurück. So ist der derzeitige ND-Vorsitzende Vangelios Meimarakis ein Haudegen aus einer Politdynastie, der in den Jahren der großen Ausgaben Verteidigungsminister war. Genau mit diesem Typus Politiker wollte Syriza eigentlich brechen.

Tsipras ist laut Umfragen bei der Bevölkerung weiterhin sehr beliebt. Ihm wird zugute gehalten, dass er sich gegen die EU-Vorgaben zumindest gewehrt hat. Und dass er versprochen hat, diesmal auch die alten Eliten und Oligarchen an der Krisenbewältigung zu beteiligen. Doch bevor er diese Versprechen einhalten kann, könnte seine Macht zerbrechen und es Neuwahlen geben. Der Sieger hieße dann aber nach derzeitigem Stand erneut: Alexis Tsipras.