Athen. (klh) Es war wie das Ende einer unausgesprochenen Friedensvereinbarung: Seitdem die Syriza-Partei im Winter dieses Jahres die Macht übernommen hatte, hatte es in Griechenland keine gewalttätigen politischen Proteste von linker Seite gegeben, hatten sich der schwarze Block und andere radikale Gruppen zurückgehalten. Alexis Tsipras war ja selbst Teil der Protestbewegung, hatte, bevor er Premier wurde, gegen die Sparpakete demonstriert.
Doch am Mittwochabend war es mit dem Frieden vorbei, flogen wieder Molotowcocktails, brannten die Straßen vor dem Athener Parlament. Mit seiner Zustimmung zu den von den Geldgebern neuerlich geforderten Sparmaßnahmen steht Tsipras für Teile der Protestbewegung - und dabei speziell für den radikalsten Teil - nun auf der anderen Seite der Barrikade.
Auch innerhalb der Syriza wurde Front gegen den Ministerpräsidenten gemacht, und zwar vom radikalen Flügel der Linkspartei. 38 der 149 Syriza-Abgeordneten versagten Tsipras bei der Abstimmung im Parlament zum Sparpaket die Gefolgschaft.
Populärer Premier
Ein Raunen ging durch den Plenarsaal, als Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis - die Abgeordneten wurden bei dem Votum einzeln aufgerufen - ein deutliches Nein gegen die Sparmaßnahmen aussprach. Mit den Stimmen der Opposition wurde das Paket schließlich mit einer satten Mehrheit von 229 der 300 Stimmen angenommen.
Die Syriza-Partei zeigt derzeit einen Januskopf: Sie ist Regierung und Opposition zugleich. Das gilt sowohl für das Abstimmungsverhalten der Gesamtpartei als auch für den Kurs ihres Vorsitzenden: Tsipras lässt über ein Sparpaket abstimmen, votiert selbst dafür, betont aber gleichzeitig, dass er an die Maßnahmen nicht glaube. Er müsse sie einfach umsetzen, weil Europa ihm keine andere Wahl gelassen habe und sonst mit dem Grexit eine noch viel schlimmere Katastrophe bevorstehen würde, sagt der Premierminister.
Bei den Griechen kommt dieser Kurs offenbar gut an: Tsipras verfügt laut Umfragen über derart hohe Zustimmungsraten, dass er, wenn morgen Wahlen wären, diese gewinnen würde. Ihm wird zugute gehalten, dass er wenigstens Widerstand geleistet hat. Anscheinend sehen viele Griechen Brüssel als Übermacht an, gegen die sich wenig ausrichten lässt.
Doch wird das so bleiben? Wird Tsipras diese Zustimmungswerte noch halten können, wenn, wie vereinbart, die Mehrwertsteuer erhöht ist, die Pensionisten weniger Geld in der Tasche haben und viele Frühpensionen abgeschafft wurden?
Die Opposition setzt laut Beobachtern genau darauf, dass die Stimmung kippt. Bei der Debatte im Parlament zeigte sich schon, welchen Kurs die konservative Nea Dimokratia oder die sozialdemokratische Pasok nun einschlagen. Sie tragen das Sparpaket - über das noch weitere Abstimmungen bevorstehen - mit, um Griechenland im Euro zu halten, schreiben die Verantwortung dafür aber Tsipras zu. Und die beiden Ex-Regierungsparteien betonen ständig, dass Syriza schuld daran sei, dass die Sparmaßnahmen nun so hart ausfallen, weil Varoufakis, Tsipras und Co. sich bei ihren Verhandlungen mit den Gläubigern kräftig verspekuliert hätten.
Aufständischer Minister
Wie der Premier und seine Partei weitermachen wollen, ist vorerst unklar. Energieminister Panagiotis Lafazanis, der Anführer des linksradikalen Flügels, stimmte gegen das Paket, will aber im Amt bleiben und die Regierung weiter mittragen. Er hätte damit den Auftrag, Maßnahmen umzusetzen, die er entschieden ablehnt. Es wäre ein erneuter Spagat zwischen Regierungsverantwortung und oppositionellem Geist.