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Krawalle gegen Flüchtlinge

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Politik

82.000 Menschen befinden sich in italienischen Auffanglagern, bis Ende des Jahres werden 200.000 Ankömmlinge erwartet. | Soziale Spannungen in Italien nehmen zu. Neofaschisten und Rechtspolitiker befeuern Proteste gegen Asylsuchende.


Rom. Der Protest der Anwohner von Casale San Nicola ging auch am Wochenende weiter. "Eine Schlacht ist verloren, nicht aber der Krieg", hieß es aus der rechten Szene in Rom. Die Schlacht, damit waren die Krawalle gegen die Unterbringung von 19 Flüchtlingen in einer verlassenen Schule 25 Kilometer vor den Toren Roms gemeint. Fäuste und Stühle flogen, Strohballen brannten, die Polizei schlug mit Gummiknüppeln um sich. Krieg, das dürfte die Drohung sein, Immigranten in Italien künftig das Leben schwer zu machen.

Die sozialen Spannungen in Italien nehmen zu. Von Cagliari auf Sardinien über Treviso in Venetien bis nach Rom fielen die Proteste gegen die Unterbringung von Flüchtlingen am Wochenende schärfer aus. 82.000 Menschen befinden sich in den italienischen Auffanglagern und anderen Strukturen, bis Ende des Jahres werden 200.000 Ankömmlinge erwartet, so viele wie noch nie. Rechtspolitiker und Neofaschisten heizen die Lage zusätzlich an.

Laut Polizei wurden die Ausschreitungen am Freitag bei Rom von ein paar Dutzend Schlägertypen und Fußball-Ultras der in Rom ansässigen neofaschistischen Organisation Casa Pound provoziert. Als der Bus mit den 19 Ausländern die von der Polizei frei geräumte Straßenblockade passierte, reckten zahlreiche Aktivisten ihre rechte Hand zum faschistischen Gruß, spuckten auf den Bus oder warfen Steine. 15 Männer wurden angezeigt, zwei festgenommen. Zuvor hatten vor allem ältere Leute in der wohlhabenden Gegend gewaltlos gegen die Unterbringung der Flüchtlinge protestiert. "Wir sind keine Rassisten", sagte eine Frau. "Wir schützen unser Territorium nur vor den Immigranten."

Wie es heißt, sollen in Rom und Umgebung etwa 60 von Neofaschisten unterwanderte Lokal-Komitees gegen die Flüchtlingsunterbringung bestehen. Bereits im Vorjahr war es immer wieder zu Krawallen gekommen. Die Aktivisten nutzen den Unmut von Teilen der Bevölkerung für ihre Zwecke. "Es handelt sich eindeutig um eine Instrumentalisierung der Proteste durch Extremisten", sagte Franco Gabrielli, Polizeipräfekt der Stadt Rom.

Auch auf Sardinien kam es am Wochenende zu Protesten. Vor der Landung von 456 Flüchtlingen im Hafen von Cagliari hissten Aktivisten von Casa Pound einen Spruchbanner mit den Worten "Stopp Immigration". Zuvor war es in der Nähe von Treviso bei Venedig zu Unruhen gekommen. Am Freitag protestierten Anwohner gegen die Unterbringung von 101 Flüchtlingen in zwei Wohnhäusern in Quinto. Auch hier schürten rechtsradikale Aktivisten der Partei Forza Nuova die Proteste. Einrichtungsgegenstände wie Matratzen gingen in Flammen auf. In der Folge wurden die Immigranten, die auf ihre Asylbescheide warten, in eine still gelegte Kaserne transportiert.

Streit über Unterbringung

Am Samstag protestierten rund 1000 Menschen in Eraclea bei Venedig gegen die Unterbringung von 250 Flüchtlingen in einem Wohnkomplex. "Das ist eine nationale Schande", sagte der Gouverneur der Region Venetien, Luca Zaia (Lega Nord). Nur ein Drittel der Immigranten sei asylberechtigt. "Wir brauchen Unterbringungen für Italiener in Schwierigkeiten und nicht für Ausländer, die dem Tourismus schaden", sagte Lega-Nord-Chef Matteo Salvini bei der Kundgebung.

Seit Monaten schwelt in Italien ein Streit über die Unterbringung von Flüchtlingen, die in den südlichen Regionen wie Sizilien oder Kalabrien ankommen. Viele Auffanglager in Süd- und Mittelitalien sind überfüllt. Norditalienische Regionen wie Venetien oder die Lombardei wehren sich gegen die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen. Die italienische Regierung will in Brüssel Erleichterungen für Italien erreichen.

Wegen mangelnder Aufnahmekapazitäten war am Freitag einem mit 661 Flüchtlingen besetzten Schiff der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen die Landung auf Sizilien verweigert worden. Das teilte die Organisation mit. Das Schiff musste nach Kalabrien weiter fahren, um die Migranten an Land zu bringen. "Die ungenügenden Aufnahmebedingungen in Italien haben schwere Konsequenzen für die Flüchtlinge, die unser Team hautnah miterlebt", sagte Loris de Filippi, Vorsitzender von Ärzte ohne Grenzen in Italien.