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Geschacher um Migranten

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Einen Platz versuchen diese Migranten in einem überfüllten Zug in Mazedonien zu finden.
© reu/Teofilovski

Während die EU-Staaten eine Einigung auf die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen verfehlen, schließt Österreich die Ausrufung eines "Asyl-Notstands" nicht aus. Am Programm der Umsiedlung beteiligt es sich - wie Ungarn - nicht.


Brüssel. Die Ungarn bauen einen Grenzzaun, die Österreicher wehren sich gegen Umsiedlungspläne, und die Tschechen wollen die Auswahl der Flüchtlinge unter ihrer Kontrolle haben. In der Debatte um die Verteilung und Aufnahme von Asylwerbern in der EU sind die Mitgliedstaaten von einer dauerhaften Einigung weiterhin entfernt. Konnte ein Kompromiss zur Neuansiedlung von gerade einmal 22.000 besonders schutzbedürftigen Menschen erreicht werden, rangen die Innenminister der EU bei einem Sondertreffen in Brüssel um einen Verteilungsschlüssel für 40.000 Flüchtlinge, vor allem Syrer und Eritreer, die nach Italien und Griechenland eingereist sind. Diese Menschen sollen in andere Staaten gebracht werden, die dann die Asylverfahren abschließen.

Doch konnten sich die Minister zunächst einmal nur auf die Unterbringung von gut 32.200 Personen innerhalb eines Jahres verständigen. Bis Ende des Jahres sollen die restlichen Plätze gefunden werden. An dieser Suche werden sich jedoch nicht alle Länder im gleichen Ausmaß beteiligen: Österreich und Ungarn lehnen es ab, Menschen aus diesem Kontingent zu übernehmen.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hielt zwar seine Enttäuschung über die fehlende Gesamtlösung nicht zurück, doch sprach er gleichzeitig von einem "wichtigen Schritt". In ihrem Vorschlag zur Entlastung von Italien und Griechenland hatte die Brüsseler Behörde auf einen Artikel im EU-Recht verwiesen, der besagt, dass im Falle eines "Zustroms von Drittstaaten-Angehörigen", der zu einer Notsituation führt, Maßnahmen zur Unterstützung der betroffenen Mitglieder beschlossen werden können. Die anderen Länder müssten dabei keineswegs gratis einspringen: 240 Millionen Euro stellt die EU für das Programm zur Verfügung. Das entspricht 6000 Euro pro betreute Person.

Die Mehrheit der Mitgliedstaaten überzeugte dies jedoch nicht. Daher ist die Fixierung eines Verteilungsschlüssels, in dem die Kommission Kriterien wie Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft oder bisherige Asylleistungen berücksichtigt, nicht in Sicht. Vielmehr pochen die meisten Länder auf Freiwilligkeit.

In Österreich begrenzt sich diese auf die EU-Pläne zur Neuansiedlung von rund 20.000 Migranten. 400 Plätze sollen geschaffen werden; 1500 gibt es schon in einem laufenden Programm. Von den 40.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland will die Regierung in Wien - wie jene in Budapest - hingegen gar keine aufnehmen.

Sie argumentiert damit, dass Österreich bereits jetzt zu den Ländern mit den meisten Asylanträgen gehört. An die 30.000 Ansuchen seien im Vorjahr gestellt worden; heuer werde sich die Zahl wohl verdoppeln. "Österreich ist zum Zielland Nummer eins geworden", befand Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Umgelegt auf die Einwohnerzahl würden zehn Mal so viele Asylanträge wie in Italien und Griechenland bearbeitet. Außerdem kommen diese beiden Staaten laut der Ministerin ihren Verpflichtungen nicht "zur Gänze nach". Eine "vollständige Registrierung" der Migranten würde nämlich ausbleiben.

Österreich könnte genauso gut wie Italien und Griechenland einen Notstand ausrufen, suggerierte Mikl-Leitner. "Das ist in den nächsten Monaten nicht auszuschließen", erklärte sie.

Ähnliches war auch schon aus Ungarn zu hören. Die Regierung in Budapest beklagt sich ebenfalls über eine steigende Zahl von Migranten. Nach ihren Angaben haben allein heuer fast 80.000 Menschen illegal die Grenze, vor allem über Serbien kommend, überquert. Um sich vom Nachbarland abzuschotten, haben die Behörden bereits den Bau eines 175 Kilometer langen Eisenzauns in Auftrag gegeben.

Asylwerber selbst auswählen

Doch auch andere Mitglieder können sich nicht mit den EU-Plänen für einen verpflichtenden Verteilungsschlüssel anfreunden. Etliche osteuropäische Staaten haben sich schon dagegen ausgesprochen. Polen gehört ebenso dazu wie die baltischen Länder oder die Slowakei. Dort wären christliche Flüchtlinge bevorzugt: Ministerpräsident Robert Fico hat schon davor gewarnt, dass sich unter den eingewanderten Muslimen auch Terroristen befinden könnten. Und Tschechien hat sich zwar bereit erklärt, 1500 Migranten - aus beiden Kontingenten - aufzunehmen, doch will es den "gesamten Prozess unter Kontrolle behalten", wie Premier Bohuslav Sobotka betonte. Das Land will eigene Beamte in den Flüchtlingszentren, etwa im Nahen Osten einsetzen, um dort die Asylwerber selbst auswählen zu können.

Insgesamt die meisten Flüchtlinge nimmt nun Deutschland auf: 12.100 Menschen. Es folgen Frankreich und die Niederlande mit gut 9000 und 3000 Personen. Das Nicht-EU-Land Norwegen wiederum will 3500 Plätze für Neuansiedlung schaffen.