Athen. (rs) "Es ist in der Politik genauso wie im Leben. Man kann nicht alles haben." Es sind zwei Sätze, die man von Alexis Tsipras noch vor kurzer Zeit so nicht erwartet hätte. Doch der griechische Premierminister ist auch nicht mehr derselbe wie zu Beginn des Jahres, als er mit dem Versprechen, den Austeritätskurs zu beenden, die Wahlen überlegen gewonnen hat. Heute muss Tspiras für eine Einigung mit den Gläubigern geradestehen, die die verhassten Kontrolleure der Troika nach Athen zurückgebracht hat und von seinen Kritikern als 180-Grad-Kehrtwendung angesehen wird.
Gesagt hatte Tsipras die beiden Sätze von der Politik und vom Leben in einem alten Athener Kinosaal, wo der Syriza-Chef am Donnerstag noch einmal den Versuch unternommen hatte, den rebellischen linken Flügel seiner Partei einzufangen. Dieser verweigert ihm seit dem Einlenken im Schuldenstreit die Gefolgschaft und fordert den Ausstieg aus den weiteren Verhandlungen über ein drittes Sparpaket. Um im Parlament überhaupt noch handlungsfähig zu sein und die von den Gläubigern geforderten Reformen zu beschließen, ist Tsipras auf die Mithilfe der Opposition angewiesen.
Den widerspenstigen Abgeordneten, die rund ein Viertel der Syriza-Fraktion im Parlament stellen und zuletzt spürbar lauter wurden, hat Tsipras daher am Donnerstag ziemlich unverhohlen den Fehdehandschuh entgegen geworfen. "Wir müssen uns darauf verständigen, dass Entscheidungen respektiert werden, die von einer Mehrheit in der Partei getroffen werden", sagte der Regierungschef in seiner Rede vor dem Syriza-Zentralkomitee.
Als Lösung für den Streit, der die Partei endgültig zu zerreißen droht, schlug Tsipras einen Sonderparteitag für September vor. Dort soll dann verbindlich die Strategie für den Umgang mit den Reformauflagen festgelegt werden. Wenn der linke Flügel auf einer früheren Entscheidung über den Kompromiss mit den Geldgebern besteht, sei eine parteiinterne Abstimmung aber auch schon am Sonntag denkbar.
Bei einer möglichen Abstimmung - das Zentralkomitee wird darüber wohl erst in der Nacht auf Freitag entscheiden - sollen die Rebellen nach Tsipras Vorstellung Farbe bekennen. Konkret soll über die Frage entschieden werden, ob ein besserer Deal für Griechenland möglich gewesen wäre als jener, den Tsipras und seine engsten Mitarbeiter herausgeholt haben. "Diejenige, die das glauben, sollen aus der Deckung kommen und das offen sagen", forderte der Syriza-Chef, für den die Rebellion die derzeit größte politische Herausforderung darstellt. Denn dass der derzeit noch bestehende nationale Schulterschluss mit der Opposition auch die Mühen des politischen Alltags überdauert, traut sich in Griechenland derzeit niemand vorhersagen. Im schlimmsten Fall könnte sogar bei den Verhandlungen über das Sparpaket wieder Sand ins Getriebe geraten.
Ein abenteuerlicher Plan
Einem unliebsam gewordenen Mitarbeiter, den Tsipras bereits früher entschärft hat, droht hingegen noch mehr Ungemach als eine Abstimmungsniederlage. So stehen dem früheren Finanzminister Yanis Varoufakis wegen eines angeblichen Geheimplans zum Austritt Griechenlands aus dem Euro möglicherweise Anklagen wegen Hochverrats oder Bildung einer kriminellen Vereinigung ins Haus. Medienberichten zufolge hatte Varoufakis den Aufbau eines parallelen Zahlungssystems geplant. Dafür sollte sich ein befreundeter Hacker auch illegal Zugang zur zentralen Steuerbehörde verschaffen, um so an die entsprechenden Daten der griechischen Bürger zu kommen.
Die griechische Justiz hat jedenfalls schon das gesamte vorliegende Material zu dem Fall dem Parlament übergeben. Die Immunität eines Abgeordneten aufzuheben, ist in Griechenland jedoch mit einem umfangreichen und langwierigen Prozedere verbunden. "Das Verfahren - wenn es überhaupt dazu kommt - könnte mehr als ein Jahr dauern", sagte Giorgos Stamatopoulos, ein mit diesem Verfahren vertrauter Rechtsanwalt am Donnerstag.