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Schuldenschnitt für Kiew

Von Veronika Eschbacher

Politik

Die pleitebedrohte Ukraine erreicht einen Haircut. Die Gläubiger erlassen Kiew 3,6 Milliarden Dollar.


Kiew/Wien. Die vergangenen fünf Monate verliefen zäh für die ukrainische Finanzministerin. Etliche Flugkilometer und Verhandlungsrunden musste Natali Jaresko abspulen - oft, ohne Fortschritte verkünden zu können. Die Beharrlichkeit der Ministerin hat sich aber ausgezahlt. Die pleitebedrohte Ukraine konnte sich mit wichtigen Gläubigern auf eine Schuldenerleichterung einigen, erklärte das Finanzministerium am Donnerstag. Die Kreditgeber seien mit einem Forderungsverzicht von 20 Prozent einverstanden, das sind 3,6 Milliarden Dollar. Die Restschuld gegenüber dieser Gläubigergruppe - angeführt vom Investmentfonds Franklin Templeton - von etwa 15 Milliarden Dollar soll in einem Zeitraum von 2019 bis 2027 zurückgezahlt werden, hieß es. Die Vereinbarung sei eine "Win-win-Situation" für alle Seiten, sagte Jaresko.

Ursprünglich war die Ministerin, wie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) empfohlen, mit einer Haircut-Forderung in der Höhe von 40 Prozent in die Verhandlungen gegangen. Frankling Templeton & Co zeigten erst gar kein Interesse an einem Schnitt, zuletzt bot man fünf Prozent. Nun traf man sich offenbar in der Mitte.

Positive Marktreaktion

"Die erste Marktreaktion ist äußerst positiv", sagt Andreas Schwabe, Ukraine-Spezialist von Raiffeisen Research, zur "Wiener Zeitung". Der Preis für ukrainische Anleihen stieg nach der Nachricht über die Einigung stark an. Und auch der Deal selbst sei wichtig für Kiew: "Hätte man sich nicht geeinigt und wie angedroht ein Schuldenmoratorium verhängt, so hätte man es sich mit der Gunst auf den Finanzmärkten auf absehbare Zeit verspielt", sagt der Ökonom. So bestehe für die Ukraine zumindest die theoretische Möglichkeit, schon bald wieder an den Finanzmarkt zu gehen und nicht ausschließlich von öffentlichen Kreditgebern wie dem IWF abhängig zu sein - vielleicht schon 2017, wie derzeit geplant.

Allerdings, gibt Schwabe zu bedenken, betrifft die nun erreichte Restrukturierung der knapp 19 Milliarden Dollar an internationalen Anleihen nur einen gewissen Teil der gesamten Staatsschuld der Ukraine. Diese beläuft sich insgesamt auf 67 Milliarden Dollar. So wird nach IWF-Berechnungen auch mit Schuldenschnitt die öffentliche Verschuldung der Ukraine im Jahre 2020 noch bei knapp über 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen.

Die Ukraine hofft, die gleichen Konditionen für einen im Dezember fälligen russischen Kredit über drei Milliarden Dollar zu erhalten. Russlands Finanzminister Anton Siluanow erteilte dem Ansinnen aber umgehend eine Absage: Sein Land werde sich nicht an der Umstrukturierung der Schulden beteiligen, sagte er der Agentur Interfax. Ökonom Schwabe bewertet die Chancen auf eine Einigung mit Moskau als "eher schlecht". Eventuell könnte es Kiew gelingen, mit einem Tauschgeschäft - etwa im Gasbereich - Russland zu Konzessionen zu bewegen.

Abgesehen von diesem russischen Kredit sind die unmittelbaren Zahlungsverpflichtungen für Auslandsschulden für Kiew nicht sehr hoch. Heuer sind noch zwei Anleihen über 500 Millionen Dollar und 600 Millionen Euro fällig. Allerdings hat sich Kiew mit dem IWF darauf geeinigt, die Kredittranchen aus dem IWF-Programm nicht zur Schuldentilgung zu verwenden, sondern nach Möglichkeit in die weiter zu niedrigen Devisenreserven einzubuchen.

Das im März vereinbarte ukrainische IWF-Programm wird trotz einiger Verzögerungen in der Erfüllung der Bedingungen bisher weitergeführt. Eine zweite Tranche über 1,7 Milliarden Dollar wurde unlängst an Kiew überwiesen. Zwei weitere über zusammen 3,4 Milliarden Dollar sollen noch heuer folgen. "Die Auszahlung könnte sich wie bei der letzten Tranche aber wieder nach hinten verzögern", sagt Schwabe. Auch wenn der Reformerfolg Kiews bisher durchmischt sei, rechnet der Ökonom nicht mit einer möglichen "Entgleisung" des Programms.

Jaresko kann also kurzfristig aufatmen. Auch die Rezession hat sich im zweiten Quartal spürbar verlangsamt. Für den Deal mit den Gläubigern erhielt die Ministerin dafür ein eher geschmackloses Präsent. Innenminister Arsen Awakow schenkte ihr eine mit Blumen bemalte Hülse eines im Osten abgefeuerten 122-Millimeter-Geschosses - "für ihre Großtat an der Finanzfront".