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Mäander mit Haken

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglu

Politik

Rechtsextreme Goldene Morgenröte in Griechenland im Aufwind.


Athen. Ilias Panagiotaros, 42, groß, starkes Übergewicht, Kahlkopf, Ziegenbart, empfängt den Besucher sichtlich gut gelaunt im Büro der rechtsextremen Goldenen Morgenröte ("Chrysi Avgi") im Athener Parlament. Die Parteifahne mit dem Mäander in der Mitte, einem altgriechischen Symbol, das so fatal dem unsäglichen Hakenkreuz ähnelt, hängt hinter Panagiotaros’ Schreibtisch.

Eloquent erklärt der Parlamentsabgeordnete, weshalb die Goldene Morgenröte bei den wegweisenden Neuwahlen am 20. September in Griechenland "ganz bestimmt zu den Gewinnern zählen" werde. Sein Narrativ lautet: Chronisch krisengeschüttelte Jungwähler, Bauern, Militärangehörige, Polizisten und kleine Geschäftsleute sowie Insulaner, die von dem zuletzt enorm angeschwollenen Flüchtlingsstrom nach Griechenland besonders stark betroffen seien, würden seiner Partei beim neuerlichen Urnengang im ewigen Euro-Sorgenland weiteren Auftrieb verleihen.

Morgenröte will Dritte werden

"Wir werden uns als drittstärkste Partei etablieren - und noch weiter zulegen. Wir rechnen mit einem Stimmenanteil von bis zu zehn Prozent", sprüht Panagiotaros vor Zuversicht. Mit fester Stimme fügt der Polit-Hardliner hinzu: "Das griechische Volk unterstützt die Goldene Morgenröte nicht aus Wut oder Protest. Die Griechen wissen, dass wir sie nicht verraten werden, wie es die Syriza-Regierung getan hat."

Entpuppt sich Panagiotaros’ ambitionierte Wahlprognose nur als pures Wunschdenken eines notorischen Berufsoptimisten? Diverse Analysten schließen jedenfalls ein sogar noch besseres Wahlergebnis für die berühmt-berüchtigten Ultrarechten zu Füßen der Akropolis nicht aus.

Dabei dümpelte die im Jahr 1993 gegründete Partei, deren voller Name Volksbund Goldene Morgenröte ("Laikos Syndesmos Chrysi Avgi") lautet, noch bis zum Ausbruch der desaströsen Hellas-Krise als Splitterpartei von Korfu bis Kreta.

Vereinte sie noch bei den Wahlen im Oktober 2009 nur genau 19.624 Stimmen und damit kümmerliche 0,29 Prozent der gültigen Voten auf sich, waren es bei den Doppelwahlen im Frühjahr 2012 mit landesweit deutlich mehr als 400.000 Stimmen schon jeweils knapp sieben Prozent.

Zehn Prozent bei Europawahl

Bei den jüngsten Parlamentswahlen im Januar erhielt die Goldene Morgenröte 6,28 Prozent der Stimmen. Ihr bis dato bestes Ergebnis erzielte sie aber bei den Europawahlen im Mai 2014. Ihr Resultat: stattliche 536.913 Stimmen, was immerhin 9,39 Prozent der gültigen Stimmen entsprach.

Wie gleich vier am Freitag zu Beginn des Wahlkampfes in Griechenland veröffentlichte Umfragen zeigen, vereine die Goldene Morgenröte zwar moderate 5,5 bis 8,3 Prozent der Stimmen auf sich. Nur: Bei Umfragen halten sich potenzielle Morgenröte-Wähler in signifikanter Anzahl traditionell bedeckt - aus Angst vor einer Stigmatisierung. So gilt parteiintern die bei den jüngsten Europawahlen erzielte historische Rekordmarke als durchaus realistische Messlatte für die Goldene Morgenröte bei den Wahlen am 20. September.

Die Gründe für den scheinbar ungebremsten Aufstieg sind vielfältig: Eine beträchtliche Zahl frustrierter Anhänger der bis dato regierenden Athener Koalition aus dem "Bündnis der Radikalen Linken" (Syriza) und den rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" (Anel) unter dem kürzlich zurückgetretenen Premierminister Alexis Tsipras dürfte diesmal den Wahlzettel der Morgenröte in die Wahlurnen werfen, so lautet hierzulande unisono die Einschätzung. Denn: Just jene Wähler hätten Ende Jänner bei den letzten Parlamentswahlen noch Tsipras und Co. in der Hoffnung ihre Stimme gegeben, dass der seit dem Frühjahr 2010 betriebene rigorose Austeritätskurs in Athen abrupt beendet werde. Eine Utopie.

Sechs Prozent Stammwähler

"Ich habe im Jänner Syriza gewählt. Diesmal wähle ich die Goldene Morgenröte", erklärt Georgios. Der Mittdreißiger betreibt eine Autowaschanlage im westlichen Athener Arbeitervorort Peristeri. Er packt an diesem heißen Tag Ende August selber an.

Georgios’ Frau putzt gerade einen alten Golf. Dass sie Albanerin ist, hält Georgios nicht davon ab, eine Partei wählen zu wollen, die sich den Fremdenhass und die Fremdenfeindlichkeit auf die Fahnen geschrieben hat. Lapidar sagt er: "Meine Geschäfte laufen immer schlechter. Syriza hat mich total enttäuscht. Ich dachte, sie würden einen Kurswechsel vornehmen, wenn sie ans Ruder kommen. Die Lage hat sich aber weiter verschlimmert. So kann es einfach nicht mehr weitergehen. Für mich ist die Goldene Morgenröte die letzte Hoffnung darauf, dass irgendwann wieder rosige Zeiten in Griechenland anbrechen." Unstrittig ist überdies: Die Goldene Morgenröte weist mittlerweile eine feste Stammwählerschaft von landesweit rund 400.000 Anhängern auf. Dies entspricht bei einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 65 Prozent in Griechenland einem Stimmenanteil von sechs bis sieben Prozent.

Prozess läuft gegen Führung

Diese Wähler schreckt derweil auch nicht der Umstand ab, dass die komplette Führungsspitze der Morgenröte um Parteichef Nikos Michaloliakos nach dem Mord an dem linken Sänger Pavlos Fyssas Mitte September 2013 wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung der Strafprozess gemacht wird. Der Aufschrei in Hellas war damals zwar groß. Doch die anfängliche Empörung über die Morgenröte ist derweil verpufft.

Denn: Die Mühlen der griechischen Justiz mahlen auch in dieser Strafsache langsam. Die nächste Verhandlung an einem Athener Gericht ist für den 9. September, im Endspurt vor den Wahlen, angesetzt. Doch mit einem rechtskräftigen Urteil ist wohl erst in Jahren zu rechnen.

Auch Ilias Panagiotaros zählt zu den Angeklagten. Er gibt sich diesbezüglich jedenfalls demonstrativ gelassen. Für ihn ist die Sache zudem klar: "Das ist eine Verschwörung. Unsere politischen Gegner haben versucht, uns mit dem Fall zu neutralisieren. Das ist ihnen aber nicht gelungen."

Den Vorwurf, er und seine Kameraden seien unverbesserliche Nazis, weist Panagiotaros mit Vehemenz zurück. "Wir sind keine Nazis. Weder Altnazis noch Neonazis. Wir sind griechische Nationalisten." Panagiotaros grinst. Ob das deutliche Dementi nur die wahre Gesinnung vertuschen soll oder nicht: Immer mehr Griechen ist dies gefährlich egal.