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Flüchtlinge nach Region sortiert

Von Daniel Bischof

Politik

Zusammenstöße in Flüchtlingsheimen mehren sich. Gleichzeitig nimmt rechtsradikale Gewalt zu.


Wien/Berlin. Die Forderung nach einer getrennten Unterbringung von Flüchtlingen nach Herkunftsland und Religion gewinnt in Deutschland an Auftrieb. "Es ist traurig, dass eine Unterbringung der Flüchtlinge getrennt nach Herkunftsregion offensichtlich nötig ist", sagte Hans-Peter Friedrich, der stellvertretende Unionsfraktion-Vorsitzende im Bundestag, zur "Welt am Sonntag". Der Vize-Chef der Polizeigewerkschaft, Jörg Radek, spricht sich zudem für eine getrennte Beherbergung von christlichen und muslimischen Flüchtlingen aus. Der Auslöser für die Debatte sind Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen in Asylheimen.

"Wir beobachten das mit erheblicher Sorge, dass es Gewalttätigkeiten gibt", hieß es seitens des deutschen Innenministeriums am Montag. Am Sonntag war es in Kassel-Calden in Hessen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen 300 Albanern und 70 Pakistanern in einem Zeltlager für Flüchtlinge gekommen. Laut Polizeiangaben wurden dabei 14 Menschen verletzt, darunter drei Polizisten. Die streitenden Gruppen wurden am Montag getrennt - etwa 100 Pakistaner wurden in eine andere Unterkunft quartiert.

Zuvor war am Freitag in Leipzig ein Streit um die Benutzung der Toilettenanlage eskaliert: Rund 200 Flüchtlinge - darunter Syrer und Afghanen - gingen mit Latten, Tischbeinen und Bettgestellen aufeinander los. Ein Großeinsatz der Polizei konnte die Wogen wieder glätten. "Wenn da 4000 Menschen in einem Heim sind, das eigentlich nur 750 Plätze hat, dann führt diese Enge zu Aggressionen, wo selbst eine Winzigkeit wie der Gang zur Toilette zu einer Handgreiflichkeit führt", sagte Radek zur Zeitung "Die Welt". Durch die Solidarisierung unterschiedlicher Gruppen würde es vermehrt zu Massenschlägereien kommen.

Christen besonders betroffen

Insbesondere christliche Flüchtlinge werden laut deutschen Medienberichten immer wieder von radikalen Muslimen drangsaliert und bedroht. Algerische Asylwerber attackierten Mitte September in der sauerländischen Kleinstadt Hemer einen Eritreer und seine schwangere Frau, die beide ihr Taufkreuz um den Hals trugen. Zwischen Christen, Jesiden und Muslimen kam es in Ellwangen in Baden-Württemberg während des Ramadans zu einer Massenschlägerei. Zahlen, wie oft es zu solchen Übergriffen kommt, existieren allerdings nicht - meist wird die Religionszugehörigkeit der Flüchtlinge bei der Registrierung nicht erfasst.

Thüringen ist das einzige deutsche Bundesland, das versucht, eine Trennung der Flüchtlinge nach ihrer Herkunft vorzunehmen. Nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit mutmaßlich religiösem Hintergrund in einer Flüchtlingsunterkunft in Suhl hatte sich Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken zu diesem Schritt entschlossen.

"Wir achten auf eine konfliktsensible Unterbringung und versuchen, Menschen aus unterschiedlichen Ländern auf verschiedene Stockwerke oder eigene Unterkünfte zu verteilen", sagte Thüringens Justiz- und Migrationsminister Dieter Lauinger von den Grünen. Die Flüchtlinge nach Religion zu trennen, hält er für keine Lösung. Gerade strenggläubige Muslime müssten laut Lauinger lernen, mit anderen Religion zu leben.

Österreich: keine Spannungen

"Solche Probleme wie in Deutschland haben wir in Österreich nicht. Es gibt aktuell keine Spannungen zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen", sagt Alexander Marakovits zur "Wiener Zeitung". Laut dem Pressesprecher des österreichischen Innenministeriums setze man derzeit auf intensive Sozialberatungen, um Spannungen zwischen den Flüchtlingen zu verhindern. Die österreichischen Behörden hätten aber auch andere Prioritäten, als über die Trennung zwischen einzelnen Gruppen nachzudenken: "Wir kämpfen derzeit darum, dass wir überhaupt ausreichend Quartiere zur Verfügung haben." In Österreich funktioniere das Zusammenleben zwischen den Flüchtlingen im Großen und Ganzen gut, heißt es auch seitens der Caritas. Probleme wie jene in Deutschland gäbe es nicht.

In Deutschland nimmt aber auch die rechtsradikale Gewalt gegen Flüchtlinge massiv zu: Insgesamt gab es 2015 bis zum
21. September 437 Übergriffe auf Asylunterkünfte - 2014 waren es im gesamten Jahr etwa 200 Delikte gewesen. Dabei handelt es sich überwiegend um Sachbeschädigungen, Propagandadelikte und Fälle von Volksverhetzung. Zudem gab es 26 Brandstiftungsdelikte. Generell steigt die Anzahl der Gewaltdelikte.

So kam es in der sächsischen Stadt Heidenau am Wochenende zu einer weiteren Attacke auf Asylwerber. Vier pakistanische Flüchtlinge sind von mutmaßlich russischstämmigen Jugendlichen mit Bierflaschen angegriffen worden. Zwei Flüchtlinge wurden dabei verletzt.

Sie seien von 15 Personen angegriffen worden, als sie auf einer Wiese in der Nähe des Bahnhofs Döner gegessen hatten, sagte ein verletzter Flüchtling dem "Mitteldeutschen Rundfunk". Die Täter hätten sich mit russischen Namen angesprochen. In Heidenau war es Ende August vor der Flüchtlingsunterkunft zu rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Krawallen gekommen.