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Die "vergessene" Million

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Ausgerechnet einer von Tsipras' Ministern hat eine Million Euro nicht deklariert.


Athen. Die Sache ist heikel, schließlich hat sich Griechenlands Premier Alexis Tsipras vom "Bündnis der Radikalen Linken" (Syriza) den Kampf gegen die blühende Korruption und Steuerhinterziehung auf die Fahnen geschrieben. Und Athens öffentliche Gläubiger EU, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) setzen gerne viel auf Tsipras und Co., wenn es darum geht, den Sumpf der Korruption in Hellas endlich auszutrocknen. Denn Tsipras’ Credo lautet: "Wir sind das Neue, sprich: die Sauberen, die den Augiasstall ausmisten werden!" Die Vorgängerregierungen in Athen seien hingegen "das Alte", das "ein Teil eines korrupten Systems in Griechenland" sei. Sie hätten das Land an den Rand des Abgrunds manövriert, so die Syriza-Lesart. Just mit jener Lesart könnte es schon bald vorbei sein.

Vom Lehrer zum Millionär

Den Stein ins Rollen brachte Despina Charalambidou. Sie fungierte bis zur Auflösung des Athener Parlaments Mitte August als Präsidentin des Parlamentsausschusses für die Erfassung und Kontrolle der Privatvermögen der Abgeordneten. Dieser Ausschuss hat per Gesetz die Herkunft aller deklarierten Vermögenswerte, ob bewegliche oder unbewegliche, penibel zu eruieren. Das griechische Gesetz ist dabei nicht zimperlich: Wer Vermögenswerte nicht deklariert oder deren Herkunft stichhaltig erklären kann, dem drohen empfindliche Haft- und Geldstrafen - samt abruptem Ende der politischen Karriere.

Charalambidou enthüllte Anfang der Woche, in ihrer Amtszeit seien diverse "problematische" Fälle von Abgeordneten einer Prüfung unterzogen worden. Namen nannte Charalambidou bewusst zwar nicht. Die Tätigkeit des Ausschusses unterliege der Geheimhaltung. Betroffen seien aber unter anderem zwei Minister der Regierung Tsipras. Die Fälle beträfen das Kalenderjahr 2012.

Dafür hatten die Athener Abgeordneten 2013 ihr Vermögen detailliert dem Parlamentsausschuss mitzuteilen. Das Gesetz sieht vor, dass das Athener Parlament die Vermögensverzeichnisse seiner Abgeordneten anschließend im Internet veröffentlicht. Nur ist das bis dato nicht passiert. Auch die Vermögensverzeichnisse für die Kalenderjahre 2013 und 2014 werden der Öffentlichkeit bislang vorenthalten.

Die Geheimniskrämerei hat offenbar gute Gründe: Informationen zufolge habe ein exponierter Minister der Regierung Tsipras, der auch schon in Tsipras’ erster Amtszeit von Ende Jänner bis Mitte August genau das gleiche Amt bekleidete und kraft seines Amtes in ständigen Verhandlungen mit Athens öffentlichen Gläubigern steht, immerhin drei Jahre lang "vergessen", ein Guthaben von einer Million Euro zu deklarieren. Der Minister deklarierte den Betrag - nachträglich - erst wenige Tage vor dem neuerlichen Urnengang am 20. September.

Pikant: Vor seiner Laufbahn als Politiker gehörte der gute Mann definitiv nicht zu den Bestverdienern im Lande. Als Hochschullehrer verdiente er gerade einmal rund 2000 Euro im Monat. So fragen sich hierzulande nun alle: Woher hat Tsipras’ Minister die eine Million Euro?

Der zweite Syriza-Minister outete sich unterdessen selbst. Alekos Flabouraris, Sonderminister im Kabinett Tsipras und von Beruf Bauunternehmer, der seit Jahrzehnten eine enge Beziehung zu der Athener Bauunternehmer-Familie von Tsipras unterhält, gab nun zu, er habe eine Beteiligung an einem Bauunternehmen nicht deklariert. Nur: Athener Abgeordneten ist es untersagt, zugleich Firmenbeteiligungen zu halten.

Die Regierung hüllt sich zu den Vorfällen bisher in Schweigen. Sie kommen zur Unzeit, denn just am Freitag hat die Regierung Tsipras ein rigides Spar- und Reformpaket mit 48 Vorleistungen durch das Athener Parlament durchzupeitschen. Es sieht erneut harte, schmerzliche Einschnitte für die Griechen vor. Nur so kann Athen aber die nächste Kredittranche im Volumen von zwei Milliarden Euro aus dem im Juli mit seinen öffentlichen Gläubigern vereinbarten dritten Kreditprogramm im Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro abrufen.

Euro-Architekt verurteilt

Ein weiterer Fall von dubiosem Privatvermögen von Politikern schlägt derzeit hohe Wellen. Die Athener Staatsanwaltschaft schlug die Verurteilung von Jannos Papantoniou und seiner Frau auch in zweiter Instanz vor dem Athener Berufungsgericht vor. Der Ökonom habe "vergessen", ein Guthaben von 1,3 Millionen Euro zu deklarieren.

Papantoniou fungierte von 1996 bis 2001 als Wirtschafts- und Finanzminister und war somit Architekt von Griechenlands Euro-Beitritt. Papantoniou zählte zur Führungsriege der ehemals in Athen omnipotenten Pasok-Sozialisten. Aber die Pasok sei "das Alte", das man mit den vorgezogenen Neuwahlen am 20. September "endlich loswerden" wollte, so Syriza bisher. Offenbar ist dies ein Trugschluss.