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Mit einer Portion Misstrauen an die Macht

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Beata Szydloholte die Absolute. reuters

Der Regierungswechsel wird für Polen größere Auswirkungen haben als für die EU.


Brüssel/Warschau. Zurückhaltung - darin übten sich EU-Politiker und deren Sprecher in ihren Reaktionen auf den Regierungswechsel in Polen. "Gute Zusammenarbeit" erhoffen sie sich von Warschau, hieß es aus den Kabinetten in Berlin, Prag oder Vilnius sowie aus der EU-Kommission. Eine "Verbesserung der Beziehungen" hingegen wünscht sich Moskau. Denn das Verhältnis zwischen Polen und Russland war immer wieder von Spannungen belastet, nicht zuletzt in der Debatte um Sanktionen gegen den Kreml im Zusammenhang mit dem Konflikt um die Ukraine. Polen hätte gern schärfere Strafmaßnahmen verhängt, als etliche westeuropäische Staaten es wollten.

Dass diese Diskussionen innerhalb der EU künftig mit größerer Härte geführt werden, wird in einigen Hauptstädten schon befürchtet. Denn die Siegerin der Parlamentswahl am Sonntag, die nationalkonservative Fraktion Recht und Gerechtigkeit (PiS), war schon vor knapp zehn Jahren an der Macht: Die Gründer der Partei, die Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski, waren Staats- und Ministerpräsident. Und die damit verbundenen Schwierigkeiten sind noch unvergessen. EU-skeptische, anti-deutsche und -russische Aussagen machten die von vornherein mühsame Suche nach einem Konsens in der Union nicht einfacher.

Ob sich die Gesprächsatmosphäre in der EU nun erneut drastisch verschlechtert, bleibt trotzdem ungewiss. Zum einen wird nicht Parteivorsitzender Kaczynski selbst, sondern seine Stellvertreterin Beata Szydlo das Amt des Premiers übernehmen. Zum anderen hätte PiS aus den Erfahrungen gelernt, dass aggressives und polterndes Auftreten nicht unbedingt die Glaubwürdigkeit steigere, glauben einige Experten. So geht Aleksander Smolar, Leiter der Stefan-Batory-Stiftung in Warschau, davon aus, dass die PiS-Regierung keine gegen die Gemeinschaft gerichtete Politik führen werde. "Sie wird ihre Skepsis gegen Deutschland zügeln", meint der Politologe: "Und sogar die anti-russische Rhetorik ist schwächer geworden." Zwar sind durchaus Meinungsunterschiede zwischen Berlin und Warschau möglich, doch werden die Polen nicht systematisch widersprechen.

Allerdings könnte sich das Verhältnis zu den anderen EU-Mitgliedern aus einem anderen Grund verschlechtern, stellt Smolar fest. "PiS hat ein starkes Element des Misstrauens in sich." Einem - sowieso noch weit entfernten - Beitritt Polens zur Eurozone werde es sich widersetzen; außerdem gibt es in der EU unterschiedliche Auffassungen zur Migrationspolitik.

Verbündete in der Region

Im polnischen Wahlkampf spielte die Debatte um die Aufnahme von Asylwerbern eine Rolle, geprägt war sie vor allem von Angstszenarien und ablehnenden Aussagen. Eine ähnliche Haltung nimmt schon der ungarische Premier Viktor Orbán oder sein slowakischer Amtskollege Robert Fico ein. Dass die polnische Regierung sich verstärkt Verbündete in dieser Region sucht, ist absehbar. Führende PiS-Strategen haben dies bereits angekündigt.

Eine neue Kooperation wiederum könnte es mit Großbritannien geben - zumindest bei der Arbeit an der Wirtschafts- und Währungsunion. Denn London ist darum bemüht, die Rechte der Nicht-Eurostaaten zu sichern oder gar auszubauen. Daran könnte auch Warschau interessiert sein.

Größere Auswirkungen als auf die EU-Politik wird der Ausgang der Parlamentswahl aber für die Innenpolitik haben. PiS hat nämlich die Mehrheit der Mandate im Sejm, im polnischen Abgeordnetenhaus, erhalten. Seit 1989 ging keine andere Partei so gestärkt aus einem Votum hervor. Neu ist ebenfalls, dass keine linke Gruppierung den Einzug ins Parlament geschafft hat. Denn auch die bisher regierende Bürgerplattform (PO) ist - gemäßigt - konservativ. Sie geht nun in die Opposition. Wie lange an ihrer Spitze Noch-Premier Ewa Kopacz stehen wird, ist offen: Die Stimmenverluste der Partei haben schon eine Führungsdebatte entfacht.