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"Bitte sei nicht peinlich"

Von Konstanze Walther

Politik

Linksparteien stürzen mittels Misstrauensvotum die Mitte-Rechts-Regierung.


Lissabon. Der Spießrutenlauf war auf zwei Tage angesetzt. Formal sollte die neue alte Regierung in Portugal ihr Regierungsprogramm diesen Montag im Parlament vorstellen, darauf folgen sollten konstruktive Debatten, inklusive dem einen oder anderem Kuhhandel, um der Mitte-Rechts-Regierung die notwendigen Stimmen für das Programm zu verschaffen. Denn das weiter regieren wollende Wahlbündnis "Portugal a Frente - PaF" hatte bei den Wahlen am 4. Oktober die Mehrheit im Parlament verloren, blieb allerdings mit 36,8 Prozent die stärkste Kraft.

Doch es hatte sich schon im Vorfeld abgezeichnet, dass es zwei Tage der langen Messer sein werden: Denn die portugiesischen Linksparteien hatten sich am Wochenende in seltener Einigkeit darauf verständigt, die konservative Regierung von der Macht zu verdrängen. Dank der portugiesischen Verfassung reichte es nicht, dass nur eine Partei einen Misstrauensantrag stellte, sondern alle vier Oppositionsparteien mussten ihren Turnus abwarten. Und das zog sich.

Zur Erinnerung: Bei er Wahl im Oktober hatte das Spektrum der linken Parteien im Lissabonner Parlament zusammen eine Mehrheit der Sitze errungen. Während die Parteien - die Sozialisten PS (32,4 Prozent), der linke Block (BE - 10,2 Prozent) und das grün-kommunistische Bündnis CDU (8,3 Prozent) - noch um eventuelle Gemeinsamkeiten zwecks Regierungsbildung gefeilscht hatten, hatte Staatspräsident Anibal Cavaco Silva jedoch seinen Parteifreund Passos Coelho erneut zum Regierungschef. ernannt.

"Wenn ich die Wahlen verloren hätte, dann würde ich heute nicht da sitzen, wo ich bin", verteidigte Passos Coelho Montag Abend seinen Platz auf der Regierungsbank. Am Dienstag gab der Fraktionsführer des linken Blocks, Pedro Filipe Soares, Premier Passos Coelho gleich den Ratschlag, diesen Platz freiwillig zu räumen. "Sagen Sie Ihrem zukünftigen Selbst: ‚Bitte sei nicht peinlich.‘ Verlassen Sie Ihre Komfortzone."

Ob das Parlament an diesem Tag eine Komfortzone war, ist allerdings fraglich, die Vertreter der beiden politischen Spektren standen sich nichts nach in den Vorwürfen. Schließlich hat Portugal unter einer sozialistischen Regierung um ein Euro-Rettungspaket angesucht. Bei den dann ausgerufenen Neuwahlen verloren die Sozialisten, und an die Macht kam Passos Coelho, dessen Partei PSD mit der ebenfalls konservativen Volkspartei CDS-PP unter Paulo Portas eine Regierung bildete, dessen Zusammenarbeit so gut funktionierte, dass sie schließlich seit den Europawahlen als Bündnis "PaF" auftreten.

Portas warf bei seiner Rede im Parlament den Sozialisten vor, seit dem Ansuchen um das Rettungspaket nichts mehr getan zu haben. "Wir haben gewonnen, und zwar nicht knapp. Sie haben verloren, und zwar nicht knapp." Er forderte die Linke heraus, sich vor den nächsten Wahlen bereits als Bündnis zu präsentieren. "Dann werden wir ja sehen, wer gewinnen wird."

EU und Internationaler Währungsfonds hatten Portugal 2011 mit einer 78-Milliarden-Euro-Hilfe vor dem Bankrott bewahrt. Danach machte Lissabon die Hausaufgaben und wurde zum vielgelobten "Musterschüler" in Brüssel: Mit vielen Steuererhöhungen, Gehalts- und Rentenkürzungen sowie der Entschlackung des Staatsapparats wurde das Haushaltsdefizit von gut elf Prozent (2010) auf 4,5 Prozent (2014) der Wirtschaftsleistung reduziert. Im Mai 2014 stieg Portugal aus dem EU-Rettungsschirm aus. Doch in Portugal kritisierten viele, dass die konservative Regierung zu übereifrig am Sparen war und sogar Privatisierungen eingeleitet hatte, wo gar keine angedacht waren. Das nun nach der Macht greifende Linksbündnis um Sozialisten-Chef Antonio Costa hat vor, die Sparpolitik abzuschwächen. Bis 2019 sollen der Mindestlohn von 505 auf 600 Euro angehoben und laufende Privatisierungspläne gestoppt werden. Costa verspricht aber: Internationale Verpflichtungen werden respektiert, die Stabilität bleibt.

Die bisherige Finanzministerin Maria Luís Albuquerque erklärte bei ihrer Rede im Parlament, ihr gefalle der "magische Realismus" in der Literatur, aber nicht bei den Staatsfinanzen.

Vorläufig weiterführen

Dienstag wurden Nägel mit Köpfen gemacht: PS und CDU unterzeichneten ein Memorandum über ihre künftige Zusammenarbeit. Ein riesiger Schritt: Hatten sich doch die Sozialisten in ihrer Geschichte immer mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, mit den "Kommunisten" in einen Topf geworfen zu werden, sprich, in dem Fall, ein Bündnis mit ihnen einzugehen. Auch ein Abkommen zwischen PS und BE schien zu Redaktionsschluss greifbar.

Ein Regierungswechsel muss jedenfalls vom Präsidenten Cavaco Silva gebilligt werden. So lange muss Passos Coelho die Regierungsgeschäfte weiterführen.