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Bedrängt von allen Seiten

Von Konstanze Walther

Politik

Bei den spanischen Wahlen heizen vor allem die neuen Parteien der regierenden Volkspartei gehörig ein.


Madrid. Spaniens Demokratie war bisher immer von der Frage beherrscht: Volkspartei oder Sozialisten? Denn alle anderen Parteien hatten, überregional gesehen, keine Bedeutung. Bei den vergangenen Parlamentswahlen 2011 hat die Volkspartei ihren ersten Platz mit 44,63 Prozent verteidigt, die Sozialisten haben mit 28,76 Prozent eine herbe Niederlage einfahren müssen.

Das war vor vier Jahren. Am 20. Dezember wählt Spanien wieder ein neues Parlament. Und dieses Mal haben sich nicht nur die Sozialisten ein wenig konsolidiert, es sind auch zwei neue Parteien erwachsen. Die linke Partei Podemos ("Wir können"), die sich vor eineinhalb Jahren formell statuiert hat und aus den Protestbewegungen gegen die Sparpakete entstanden ist. Aber es ist eine andere Partei, die den Konservativen derzeit besonders wehtut: die liberalen Ciudadanos ("Bürger"), die sich aus einer regionalen katalanischen Partei zu einer überregionalen Anti-Korruptionskraft entwickelt haben. Laut Umfragen liefern sich die Konservativen (PP), die Sozialisten (PSOE) und die Ciudadanos derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Sie alle kommen auf 22 Prozent, mit verschiedenen Ziffern hinter der Komma-Stelle. Podemos schafft immerhin 17 Prozent.

Kein Wunder also, dass die Konservativen unter Premierminister Mariano Rajoy vor allem um die jungen, urbanen Wähler buhlen. Einen Tag nach der Bekanntmachung der jüngsten Umfragewerte veröffentlichte PP einen Werbespot, in dem man einen jungen urbanen Freundeskreis um die 30 sieht. Sie tragen schwarze Rahmenbrillen, die Männer Vollbärte, bis oben zugeknöpften Hemden - die modischen Erkennungsmerkmale junger urbaner - mehrheitlich linker oder apolitischer - Hipster. Die Gruppe plant eine Intervention bei Raúl: "Jetzt hör mal zu, Raúl. Du fährst mit dem Rad zur Arbeit. Jeden Sommer rettest du Wale. Und du bist der einzige Veganer von uns. Wieso?", fragen sie fassungslos. Denn Raúl hat sich entschlossen, so will es der Spot, PP zu wählen. "Sie haben uns vorm Rettungsschirm bewahrt. Sie schaffen Arbeitsplätze. Und soweit ich weiß, hat Rajoy nichts gegen Wale." Was im Abspann erscheint, klingt mehr nach einem Flehen: Der PP sei "die am meisten gewählte Partei. Weil uns sehr verschiedene Personen wählen. Denk ohne Vorurteile." Der diesjährige Slogan des PP ist übrigens "Spanien, im Ernst."

Es mag wohl sein, dass Rajoy nichts gegen Wale hat. Dass er das Land vor dem Rettungsschirm bewahrt hat, stimmt nicht ganz: Es fand sich eine Zwitterlösung. Es gab einerseits Geld für die Banken von einem EU-Programm, die Geldinstitute mussten reformiert werden, die Troika, also die Abordnung von Europäischer Zentralbank EZB, Internationalem Währungsfonds IWF, und EU-Kommission, kam immer wieder nach Spanien, um nach dem Rechten zu sehen.

Andererseits hatte Spaniens Regierung bei den anderen Reformen im Land, als formell Nicht-Rettungsschirm-Land, freie Hand. Doch das Sparprogramm, das der PP in Spanien durchzog, unterschied sich nicht wesentlich von der Austeritätspolitik der Rettungsschirm-Länder Portugal oder Griechenland.

Wachstum nach Jahrender Rezession

Im heurigen Jahr gehört Spanien allerdings zu den am schnellsten wachsenden Ländern der Eurozone. Die EU-Kommission prognostizierte ein Wachstum von 3,1 Prozent für 2015 - für das von einer jahrelangen Rezession geplagte Land eine Wohltat. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble bezeichnete im September Spanien in Sachen Krisenpolitik als "unser bestes Argument, dass wir doch vieles ziemlich richtig gemacht haben".

Auch bei der Arbeitslosigkeit - Spanien hat nach Griechenland die höchste Arbeitslosenquote in der Eurozone - scheint gerade ein wenig Hoffnung in das Land einzuziehen. Über ein Jahr betrachtet (Oktober 2014 zu Oktober 2015) sank die spanische Arbeitslosenquote von 23,9 auf 21,6 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt aber noch immer bei horrenden 47,7 Prozent. Vor der Krise, 2007, belief sie sich auf 16,7 Prozent.

Als Spanien entlang der Pleite schrammte und 2012 ein Hilfspaket für Banken mit der EU ausverhandelte, entzog sich Rajoy wochenlang der Presse. Und auch im derzeitigen Wahlkampf macht er seinen Ruf als Schweigepremier alle Ehre. Er weigerte sich lange, bei einem TV-Duell mit den Spitzenkandidaten aller Parteien aufzutreten. Tage später erklärte er sich bereit, mit nur einem weiteren aufzutreten - wenn es mehr als zwei Kandidaten sind, "wird es zur Rauferei".