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EU geht an die Grenze

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Die EU-Agentur Frontex soll bei der Schengen-Sicherung mehr Aufgaben übernehmen.


Brüssel. Mag es am sich verschlechternden Wetter liegen oder am verstärkten Eingreifen der Grenzschützer, vor allem der türkischen: Die Zahl der illegalen Einreisen nach Griechenland hat deutlich abgenommen. Im vergangenen Monat seien dort weniger als 100.000 Übertritte verzeichnet worden, während es im Oktober noch doppelt so viele gewesen seien, teilte die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit.

Doch auch wenn weniger Menschen ankommen, fällt es den Behörden schwer, alle Flüchtlinge zu registrieren. Dabei müssten Asylwerbern bei der Einreise die Fingerabdrücke abgenommen werden und wären persönliche Angaben mit europäischen Datenbanken abzugleichen. In Griechenland passiert das laut Frontex aber nur bei jedem vierten Einreisenden; in Italien bei jedem zweiten. Die EU-Kommission hat die beiden Mitgliedstaaten - wie auch Kroatien - schon gemahnt, die Vorschriften einzuhalten.

Mit Empörung hat die Regierung in Rom darauf reagiert. Ministerpräsident Matteo Renzi hielt den anderen europäischen Staaten vor, sie trügen zu wenig dazu bei, "um den Flüchtlingsstrom zu bremsen". Die Umverteilung der Asylwerber auf andere Länder sei nicht in Bewegung gekommen.

Tatsächlich geht die Realisierung der Umsiedlungspläne nur schleppend voran. Mehr als 100.000 Menschen sollten in zwei Jahren von Griechenland und Italien aus in der EU verteilt werden; ein weiteres Kontingent von gut 50.000 Aufnahmeplätzen könnten auch andere Staaten in Anspruch nehmen. Bisher umgesiedelt wurden aber nur 130 Asylwerber aus Italien und 30 aus Griechenland. Von einem Scheitern des von ihr vorgelegten Konzepts will die EU-Kommission zwar nicht sprechen, aber die Statistik hat ihre eigene Aussagekraft.

Daher dreht sich die EU-Debatte nun immer mehr um einen weiteren Eckpfeiler der Strategie zur Bewältigung der Flüchtlingskrise: um den Schutz der Außengrenzen der Union. Kritik, dass es diese Vorgabe nicht ausreichend erfülle, musste sich vor allem Griechenland anhören. Und erst in der Vorwoche hat es angekündigt, bei der Sicherung der Grenzen EU-Hilfe anzunehmen. Premier Alexis Tsipras hat dies am Freitag bekräftigt. "Eine europäische Küstenwache ist willkommen", erklärte er im Parlament in Athen.

Eingriff in Souveränität?

Dies könnte neue Aufgaben für Frontex bringen. Deutschland und Frankreich hatten schon dafür plädiert, die EU-Agentur verstärkt für die Grenzsicherung zu nutzen. Die Kommission will ihre Vorschläge dazu am Dienstag präsentieren, zwei Tage vor Beginn des Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs. Die Pläne sind heikel. Sie sehen nämlich unter anderem die Möglichkeit vor, dass Frontex auch ohne die Einladung eines Staates eingreift. Die Sicherung seiner Grenzen ist jedoch nationale Angelegenheit eines Landes. Bei deutlichem Versagen der zuständigen Behörden könnte die EU sich aber einschalten. In Medien wurde bereits kolportiert, dass es Überlegungen zur Bildung einer EU-Reserveeinheit gebe, die bis zu 2000 Grenzschützer umfassen könnte.

Allerdings bräuchte Frontex dafür mehr Personal und Ausrüstung. Von den fast 800 angeforderten zusätzlichen Grenzbeamten bekam Frontex von den Ländern aber erst knapp 450 zugewiesen. Diese werden sich nicht zuletzt an der schnellen Eingreiftruppe beteiligen, die Griechenland bei Patrouillen im Meer und bei der Registrierung von Flüchtlingen unterstützen soll.

Gemeinsame See-Patrouillen mit der Türkei lehnte Tsipras hingegen ab. Dennoch setzt Brüssel bei der Grenzsicherung verstärkt auf die Kooperation mit Ankara. Zu einem Treffen von acht Staats- und Regierungschefs, darunter aus Deutschland und Österreich, das vor dem EU-Gipfel im großen Kreis stattfindet, ist Premier Ahmet Davutoglu eingeladen.

Lücke im Spielfelder Zaun

An seinen eigenen Plänen zum Grenzschutz hält Österreich unterdessen fest. Der Zaun in Spielfeld werde gebaut, betonte das Innenministerium. Da sich aber einige Eigentümer weigern, dies auf ihren Grundstücken zu akzeptieren, wird in der 3,7 Kilometer langen Absperrung eine Lücke von rund 800 Metern klaffen. Das führe jedoch zu keinem Sicherheitsproblem, sondern nur zu Mehrkosten, erklärte ein Sprecher des Ministeriums der Austria Presseagentur: Die Bereiche ohne Zaun werden "mit zusätzlichen technischen Überwachungsmethoden kontrolliert". Falls nötig, werden sie "mit massivem Personaleinsatz" gesichert.